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Archiv-Artikel

Überflüssiges gegen rechts

Die meisten der von der Bundesregierung geförderten Programme „gegen rechts“sind ineffektiv und inhaltlich veraltet – sie sollten nicht weiter finanziert werden

Toleranz können sich nur die leisten, die die Macht haben – Toleranz zu fordern, ist unpolitisch

Der Bundesrechnungshof sagt: Die Regierungsprogramme gegen „Rechtsextremismus“ sind ineffektiv. Kosten und Nutzen stünden in keinem vernünftigen Verhältnis zueinander, darum sollten sie gestoppt werden.

Das Statement ist aus zwei Gründen brisant: Zurzeit wird der Bundeshaushalt beraten, und nach dem Scheitern des NPD-Verbots rufen alle im Chor, die Neonazis müssten politisch bekämpft werden.

Doch dafür eignen sich die Regierungsprogramme „gegen rechts“ nicht. Die Programme – unter den Logos Xenos, Entimon und Civitas – haben mit dem Verfassungsschutz eines gemeinsam: Wenn sie verschwänden, würde es niemandem auffallen. Im Unterschied zum Verfassungsschutz sollte man die Programme dennoch nicht ganz abwickeln. Sie wirken positiv, ohne dass die Initiatoren das beabsichtigt hätten. Das wird nicht so bleiben, und deshalb kommt der Warnschuss des Bundesrechnungshofs zur rechten Zeit: Es muss sich etwas radikal ändern im Kampf „gegen rechts“.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat die „Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlicheit“ evaluiert. Das Fazit: Gut gemeint ist meistens voll daneben. Vor Ort werden oft die schon bestehenden Projekte der allgemeinen Jugendarbeit gefördert. Die Kommunen hätten kein Geld dafür, und daher kann man nur begrüßen, dass die Bundesregierung Geld ausschüttet. Da sich Jugendarbeit aber selten professionell dem Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus widmet, handelt es sich eher um kurzfristige symbolische Politik.

Erfolge können sich nur einstellen, wenn demokratische Kultur sich langfristig in den Köpfen festsetzt. Dazu braucht es Profis, keine ABM-Kräfte, Projekte, die eine Perspektive haben, auch für die Mitarbeiter, langfristige Evaluation und kritische Begleitung, Experimentierfreude, da man vielerorts Neuland betritt. Nur selten treffen diese Kriterien zu.

Man hat aus den eher zweifelhaften oder nicht vorhandenen Ergebnissen bisheriger Programme gelernt: Es geht weder um „Gewalt“ noch um abweichendes Verhalten jugendlicher Peer-Groups. „Gegen rechts“ darf nicht heißen, Problemjugendliche mit Sonderleistungen zu belohnen. Das hat sich aber noch nicht überall herumgesprochen. Rassismus ist ein Teil der politischen Kultur, kein „Jugendproblem“. Dennoch wird die Zielgruppe „Jugend“ bei den meisten Initiativen unter der Hand wieder eingeführt. Da die Träger oft die klassischen Institutionen der politischen Bildung sind, werden Haupt- und Realschüler meist nicht erreicht. Erwachsene, Eltern und ältere Menschen werden kaum in diese „Bürgernetzwerke“ eingebunden.

Leider prägt der affirmative „Extremismus“-Diskurs immer noch den Mainstream der Projekte. Institutioneller Rassismus bleibt außen vor. Xenos, Entimon und Civitas widmen sich einem unausgesprochenen Mainstream, der oft das eigentliche Thema – die Ursachen rassistischer und antisemitischer Vorurteile – gar nicht erst in den Blick bekommt. Der Kampf etwa gegen die unstrittig menschenverachtende Abschiebepraxis Deutschlands, gegen den immer noch völkischen Konsens, die Definition der Nation und der Staatsbürgerschaft betreffend, gerät automatisch unter den Bannfluch „Extremismus“.

Unter Rot-Grün hat sich der Schwerpunkt des Diskurses minimal verschoben. Eberhard Seidel macht den seit 1998 moderateren migrationspolitischen Diskurs für ein „bisher unbekanntes zivilgesellschaftliches Klima“ verantwortlich. Wer es gut meint, wird auch den Projekten „gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“ ihren Anteil an dieser Entwicklung geben. Beweisen lässt sich nichts.

Dennoch wird bisher vornehmlich an den Symptomen herumgedoktert. Und hier hat der Rechnungshof den Finger auf eine Wunde gelegt. Wer von der Bundesregierung und den von ihr beauftragten Trägern gefördert wird, richtet sich oft nach der Professionalität oder dem vermeintlichen gesellschaftlichen Prestige der Multiplikatoren, derer sich einige Projekte versichern konnten. Im Vorfeld des Kampfes um Staatsknete gab es internes Hauen und Stechen. Einige Projekte mit durchaus respektablem Renommee gingen leer aus.

Zwischen dem Selbstverständnis der von Xenos, Entimon und Civitas geförderten Projekte und der Realität klaffen Welten. Unkoordiniertes Wurschteln wird als Konzeption verkauft. Schon die zentralen Begriffe „Rechtsextremismus“ und „Fremdenfeindlichkeit“ sind fragwürdig und im internationalen Diskurs obsolet. Auch die Idee, bestimmte Gefühlszustände wie Toleranz, Zivilcourage und so weiter ließen sich durch die üblichen Verdächtigen und Berufsjugendlichen in die Köpfe der Klientel dauerhaft einpflanzen, ist nicht nur naiv, sondern schlicht falsch.

Toleranz können sich nur die leisten, die die Macht haben. Sinnfreie und nie gesagte Sätze wie „die Juden müssen tolerant gegenüber den Christen sein“ oder „Afrodeutsche müssen tolerant gegenüber Rassisten sein“ zeigen, dass es sich bei der Forderung, tolerant zu sein, eher um protestantische Gefühlsduselei denn um eine politische Aussage handelt.

Um demokratische Kultur in den Köpfen zu verankern, braucht es Profis, keine ABM-Kräfte

Auch der viel beschworene „Dialog der Kulturen“ (beziehungsweise der Religionen) wirkt, hat ihn ein Projekt auf seine Fahnen geschrieben, kontraproduktiv. Die übergroße Zahl der von der Bundesregierung geförderten Projekte verharrt auf dem intellektuellen Niveau der Siebzigerjahre – alias Multikulti oder: alle Neger trommeln. „Kultur“ ist immer ein politisches Projekt, nie Realität. Darum verbirgt sich hinter dem „Dialog“ fiktiver „Kulturen“ ein entpolitisiertes und folkloristisches Verständnis von Migration.

In Wahrheit geht es um den gesellschaftlichen Umgang, um Teilhabe an der politischen Macht, um das Verhältnis von Individual- und Gruppenrechten, um Quotenregelungen und Vetorechte für Minderheiten. Ein „Dialog der Kulturen“ kann nichts bewirken, weil es keine „Kulturen“ gibt, die kommunizieren könnten. Die „türkische Kultur“ in Deutschland ist selbst Produkt der Immigration und durch sie geschaffen. Jeder Ethnologe weiß das: In Deutschland aber gehört es immer noch zum guten Ton, nicht über den eigenen Tellerrand in andere europäische Länder zu sehen, sondern in der trüben begrifflichen Brühe des „Extremismus“-Diskurses herumzupaddeln.

Das Bundesverfassungsgericht und der Bundesrechnungshof scheinen als einzige Institutionen begriffen zu haben, dass man der Realität im „Kampf gegen rechts“ in die Augen sehen muss. Der Bundesrechnungshof fordert: Man muss ein konkretes Ziel haben und sich überlegen, wie man es erreichen will. Das war bisher nur selten der Fall. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt: Der Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus, für die die NPD nur ein Symptom darstellt, kann nicht von der Justiz und der Polizei stellvertretend für die Gesellschaft geführt werden.

BURKHARD SCHRÖDER