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Archiv-Artikel

Diskriminierte wollen sich vereinen

Nordrhein-Westfalens MinderheitenvertreterInnen wollen künftig stärker zusammenarbeiten. Auf der Tagung „Vielfalt statt Diskriminierung“ fordern sie von der Bundesregierung ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz

BOCHUM taz ■ Das flaue Gefühl im Magen ist Claudia Jabbour schon gleich am Morgen losgeworden. „Die Zuschüsse für die spezialisierten Verbände werden nicht gekürzt“, hat NRWs Sozialministerin Birgit Fischer gesagt und sich mit diesem Versprechen kritische Fragen erspart. Denn über eines sind sich die Teilnehmer der europäischen Fachtagung zur Zielgruppen übergreifenden Antidiskriminierungsarbeit einig: Expertenwissen ist auch in einem gemeinsamen Kampf gegen Diskriminierung bitter nötig.

„Zusammen sind die Lobbys aber viel stärker“, sagt Claudia Jabbour vom Verein für soziale Arbeit und Kultur Südwestfalen. Im Siegener Antidiskriminierungsbüro ihres Vereins sitzen MigrantenvertreterInnen, VertreterInnen von Behinderten-, Schwulen-, Lesben- und Frauenverbänden einmal pro Woche an einem Tisch und tauschen sich über ihre Probleme aus. Dass die Stadt Siegen das Schwulenzentrum abreißen will, regt auch die anderen Verbände auf. „Das kann anderen Minderheitenverbänden bei der derzeitigen Finanzlage der Kommunen schließlich auch passieren“, sagt Claudia Jabbour. „Dadurch, dass die Siegener Verbände jetzt vernetzt sind, wird die Problematik viel weiter in die Gesellschaft getragen und bekommt bedeutend mehr Öffentlichkeit.“

Diese Ansicht ist Konsens beim Bochumer Expertentreffen. „Wir brauchen ein Antidiskriminierungsgesetz, das seinen Namen auch verdient“, fordert Sozialministerin Birgit Fischer schon in der Begrüßungsansprache. „Die Weigerung, älteren Menschen einen Kredit zu gewähren oder eine Wohnung an ein schwules Paar zu vermieten, darf es in Zukunft nicht mehr geben“, sagt die Ministerin. „Solche Formen von Diskriminierungen können jedoch nur mit einem Gesetz verhindert werden, das weit gefasst ist.“

Zum Beispiel durch ein Gesetz, das die Beweislast umgekehrt wird. „Bis jetzt müssen wir immer beweisen, dass diskriminiert wurde“, sagt Gerhard Grühn von der Kölner Lesbian and Gay Liberation Front. „Wenn dagegen Täter ihre Unschuld beweisen müssen, hat jeder Diskriminierte eine sehr viel größere Chance, zu gewinnen.“

Das sei der wichtigste Teil des zu schaffenden Antidiskriminierungsgesetzes, findet auch Hanne Schweitzer vom Büro gegen Altersdiskriminierung. „Und dann müssen aber noch die speziellen Forderungen der Minderheitenvertreter eingearbeitet werden.“

Migranten und Migrantinnen fühlen sich von vielen arbeitsrechtlichen Bestimmungen diskrimiert, viele alte und finanzschwache Menschen beklagen die ausgrenzende Wirkung der Gesundheitsreform. „Antidiskriminierung muss nicht nur im Arbeitsrecht, sondern auch im Zivil- und Sozialrecht verbindlich geregelt werden“, sagt die Sozialministerin dazu. Dass die Gesundheitsreform an sich diskriminierend ist, findet sie nicht. „Höchstens ihre Umsetzung.“

Die Forderungen nach einem neuen Gesetz gehen in erster Linie an die Kollegen im Bundestag. Die stehen nämlich inzwischen unter Zugzwang: Eigentlich hätten sie die europäische Antidiskriminierungsrichtlinie längst umsetzen müssen - jetzt drohen Deutschland hohe Geldstrafen. MIRIAM BUNJES