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Archiv-Artikel

Akkumuliert!

Kapitalismus ist Prostitution, Spiel und Coca-Cola: „Capitalist Manifesto“ (Forum) von Kim Gok und Kim Sun

„Capitalist Manifesto: Working Men of All Countries, Accumulate“, heißt der koreanische Film, mit dem das „Internationale Forum des jungen Films“ sein Programm eröffnete. All denen, die nicht ins Kino gehen, um ihre Sinne zu betäuben, sondern um bei einfachen Bildern zu entspannen, den Freunden eines angenehm rhythmisierten Anti-Action-Kinos, wird dieser Film gefallen.

Passieren tut nämlich nicht allzu viel, und was passiert, wiederholt sich mit kleinen Abweichungen: Junge Männer sitzen in einem Zimmer und spielen um Geld Karten. Das ist illegal und das Bild ist leicht rotbraunstichig. Einer sitzt ein wenig abseits und muss kotzen, weil er zu viel getrunken hat. Das ist Nam Boo-ja. Die anderen sind sein Chef und dessen Kollegen, für die er recht erfolglos Pornovideos an einer Straßenecke verkauft, dabei sieht man einen Obdachlosen bäuchlings auf einem Brett mit Rädern durchs Bild fahren. Sein Chef beschimpft ihn als Faulpelz und „Kommunistenschwein“. Abends isst er alleine und beschimpft, so für sich, seinen Chef und dessen Kartenspielkollegen als „rote Kommunistenschweine“.

Oft telefoniert er auch mit Schulmädchen, die er beim Chatten kennen gelernt hat und die unbedingt achtzehn sein müssen, oder er besucht eine extrem stark geschminkte Prostituierte in einem Bordell. Die Szenen des langsamen, zuweilen lustig-apathischen, irgendwie brechtisch wirkenden Films wiederholen sich mit kleinen Abweichungen.

Es geht um Kaufen, Verkaufen, Akkumulation des Kapitals. Kapitalismus scheint den beiden Regisseuren, den 25-jährigen Brüdern Kim Gok und Kim Sun, eine Mischung aus Prostitution, Spiel und Coca-Cola. Irgendwann nimmt eine Schulmädchenprostiuierte am Kartenspiel teil und verliert das Geld, das sie eben noch mit Sex verdient hatte, an den, der Sex bei ihr gekauft hatte. Um weiterspielen zu können, will sie ihm noch einmal Sex verkaufen, bedrängt ihn, aber er kann nicht mehr.

Ein bisschen erinnert „Capitalist Manifesto“ sowohl an Bunuel als auch an Eisenstein. Man versteht nichts so richtig; ist aber trotzdem interessant. Im Abspann steht „Thanks to Marx and Engels“ und „No thanks to capitalism“. Die Regisseure sagten, sie hätten versucht, die Mechanismen des Kapitals – „Apathie und Wiederholung“ – zu imitieren.

DETLEF KUHLBRODT

„The Capitalist Manifesto“: Heute, 12 Uhr, Cinemaxx 3; 17 Uhr, Arsenal; morgen, 13.45 Uhr, Cinemaxx 5