: Blick in die Job-Glaskugel
Die Umschulung durch das Arbeitsamt ist ein Auslaufmodell. Künftig soll es schneller und billiger in den neuen Job gehen. Ob Trainings und Praktika effizienter sind, lässt sich allerdings nicht messen
VON MARTINA JANNING
N. H. hat noch mal von vorn gefangen. Die ehemalige Zahntechnikerin ließ sich zur Mediengestalterin umschulen, im vergangenen Jahr schloss sie ab. Asthma und chronisch entzündete Nasennebenhöhlen hatten es der 33-Jährigen unmöglich gemacht, in ihrem alten Beruf weiterzuarbeiten. N. H. hatte Glück. Das Arbeitsamt bezahlte ihre Umschulung. Heute ist vieles anders: Das Amt heißt jetzt Agentur, Arbeitslose sind nun Kunden – und Umschulungen werden zunehmend eingestampft. Im Januar stoppte die Hamburger Arbeitsagentur Umschulungen ganz. Stattdessen sollen kürzere Trainings bis zu acht Wochen oder Praktika in Betrieben gefördert werden. „Diese Instrumente sind ähnlich gut für den Wiedereinstieg ins Berufsleben geeignet“, sagte der Sprecher der Agentur für Arbeit. Umschulungen seien zwar erfolgreich, aber mit rund 620 Euro pro Person und Monat relativ kostenntensiv.
Ein radikales Aus für Umschulungen haben andere Agenturen bislang nicht verordnet, doch bundesweit gilt das gleiche Sparrezept: aufsatteln statt umlernen. „Mit dem zur Verfügung stehenden Geld wollen wir möglichst viele Leute in Arbeit bringen“, erläutert Monika Ramm-Schüller von der Bielefelder Agentur für Arbeit. Eine Umschulung zum Altenpfleger zum Beispiel dauere drei Jahre und koste entsprechend viel. Sie münde zwar sicher in einen Job, helfe aber nur einem Arbeitslosen. Kürzere, billige Fortbildungen sollen künftig mehr Menschen in Arbeit bringen. „Modulare Weiterbildung“ heißt die neue Zauberformel, mit der Arbeitslose sich in ihrem Beruf so spezialisieren sollen, wie es Unternehmen gerade brauchen.
Doch von jetzt auf gleich greift das gewünschte zeitnahe Qualifizieren nicht. Im Herbst beginnt jede Arbeitsagentur fürs Folgejahr zu planen und präsentiert zu Jahresbeginn die so genannte Bildungszielplanung (BZP). Ihr können Anbieter von Weiterbildungen entnehmen, welche Fortbildungen und Umschulungen die Arbeitsagentur mit ihren Bildungsgutscheinen in dem Jahr bedenken will. Um einen völlig neuen Kurs anzubieten, brauche die Deutsche Angestellten Akademie (DAA) zwei bis drei Wochen, glaubt Peter Schliebeck, stellvertretender Geschäftsführer. Allerdings ist die DAA mit 200 Standorten in Deutschland einer der großen Weiterbildungsträger mit entsprechenden Möglichkeiten. „Notfalls können wir Know-how aus einer anderen Zweigstelle holen.“
Kurzfristig Referenten zu finden, sei kein Problem, sagt Schliebeck. Kürzungen und die Einführung der Bildungsgutscheine hätten viele Weiterbilder arbeitslos gemacht. Allein die DAA habe im vergangenen Jahr ein Drittel ihrer Mitarbeiter entlassen müssen, da sie 20 Prozent weniger Umsatz gehabt habe.
Stellenangebote auswerten, Zeitungen studieren, Vermittlungsquoten checken, Gespräche mit Arbeitgebern führen – so ermitteln die Agenturen für Arbeit, welche Arbeitskräfte Firmen vor Ort brauchen. Dennoch „bleibt es immer ein wenig der Blick in die Glaskugel“, räumt Sprecherin Ramm-Schüller aus Bielefeld ein. Das zeigt das Beispiel Olaf Arndt. 2000 begann der arbeitslose Sozialpädagoge eine Fortbildung zum Onlineredakteur. „Damals sagten alle: Mach das auf jeden Fall. Da hast du nachher bombensicher einen Job.“ Als er zwölf Monate später fertig war, wurden keine Onlineredakteure mehr gebraucht. In den ostdeutschen Ländern sei es besonders schwierig, den Personalbedarf zu ermitteln, weiß Bianka Kletschtschow von der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit. „Der Knackpunkt ist, dass viele Unternehmen nicht langfristig planen können, da sie von der Hand in den Mund leben.“
Egal ob Fortbildung oder Umschulung, gefördert wird von der Arbeitsagentur nur noch, was Erfolg verspricht. Das Kriterium: 70 Prozent der Teilnehmer sollen sechs Monate später eine Arbeit gefunden haben. Ob sie diese allerdings aufgrund der Weiterbildung bekommen haben, darüber sagt die Quote nichts aus. Auch wer anschließend ein Praktikum macht oder in einem anderen Beruf jobbt, taucht nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auf. Eine Fortbildung muss den Erfolg, den sie verspricht, also noch längst nicht halten. Zudem gibt es große Unterschiede in der Qualität. Experten raten daher: „Die Kursinhalte gründlich studieren und sich eine Unterrichtsstunde anhören.“
Prognosen über die längerfristige Entwicklung einzelner Berufe hätten sich in der Vergangenheit oft als falsch erwiesen, sagt Franziska Schreyer vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. „Je differenzierter solche Aussagen sind, desto wackeliger sind sie.“ In den Siebzigerjahren habe es beispielsweise geheißen, dass Bauingenieure gebraucht würden. Darauf hätten viele dieses Studium eingeschlagen. Folge: Es gab zu wenige Arbeitsplätze für die Absolventen. Eine Wirkung, die sich nie ganz ausschließen lasse. Sicher sei aber, dass es einen Trend zu Höherqualifizierten gibt, sagt Schreyer: „Daher sollte man so viele Qualifikationen wie möglich erwerben.“