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Archiv-Artikel

CONTRA: BUSH MUSS GESTÜRZT WERDEN. EHER GIBT ES KEINEN FRIEDEN Mit falschen Mitteln das Falsche getan

„Wir akzeptieren nichts als einen vollständigen Sieg, egal wie lange es dauert oder was es kostet.“ Diese von US-Präsident Bush ausgegebene Marschrichtung bekräftigt, dass es zum Krieg gegen den Irak keine Alternative gibt. Vom Ziel des militärisch-politischen Triumphes konnte die Bush-Regierung nichts und niemand abhalten, weder Diplomatie noch Saddam Husseins Kooperation mit den Rüstungskontrolleuren noch die Weigerung befreundeter Länder, sich an dem Krieg zu beteiligen.

Dafür gibt es einen Grund, der weit über Saddam Hussein, das Öl oder Bin Laden hinausgeht. Bush, vor allem aber die Leute hinter ihm, haben eine Mission: die Sicherung der weltweiten Vorherrschaft der USA. Egal wie diese Machtpolitik ideologisch verbrämt wird – als Export von Demokratie und Menschenrechten mit militärischen Mitteln, als Bild von den USA als „gutartigem Hegemon“ – alle Wortkaskaden können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich in den USA eine Gruppe selbst ernannter Patrioten auf den Weg gemacht habt, die gewaltigste Militärmacht, die es je gab, dafür einzusetzen, die USA zum allein herrschenden Imperium zu machen.

Diese „Vision“ ist Bush nicht beim Beten und auch nicht im Kreis der Anonymen Alkoholiker gekommen, sondern ist das Ergebnis von Diskussionen einer Männerrunde, denen die Clinton-Administration zu lasch, zu lustbetont und zu sehr auf das gute Leben fixiert war. Das Ganze ist keine Verschwörung, sondern ein offener Zusammenschluss Gleichgesinnter, die 1997 ganz offen ihr „Project for the New American Century“ vorgestellt haben und jetzt im Kabinett und auf vielen wichtigen Beraterposten sitzen. Deshalb muss jetzt niemand überrascht sein, dass Verteidigungsminister Rumsfeld und sein Stellvertreter Wolfowitz, Sicherheitsberater Perle und Vizepräsident Cheney genau das tun, was sie angekündigt haben.

Wer an der Rücksichtslosigkeit dieser Leute gezweifelt hat, wird jetzt im Irakkrieg eines Schlechteren belehrt. Es läuft nicht so wie erhofft, also wird der Einsatz erhöht. Die USA sind dabei, ihre Truppen im Irak zu verdoppeln. Wofür die Präsidenten Johnson und Nixon in Vietnam Jahre gebraucht haben, geht heute in wenigen Wochen. So brutal es sich anhören mag, und so sehr man sich davor scheut es auszusprechen: Die einzige Chance, Bush und seine Kamarilla zu stoppen und davon abzuhalten, nach dem Irak im Iran, in Syrien, im Libanon oder in Libyen einzumarschieren, ist ein langer, für die USA so verlustreicher Krieg, dass die jetzigen Machthaber in Washington ihn politisch nicht überleben.

Es hat etwas von der Rache des Hegel’schen Weltgeistes, dass es nun ausgerechnet ein so übler Schlächter und Tyrann wie Saddam Hussein ist, der letztlich dafür sorgen muss, dass die Träume von der imperialen Hegemonie der derzeitigen US-Regierung gestoppt werden, bevor sie die Welt in Brand setzen. Wer künftig vorgehen will wie Bush und Rumsfeld jetzt, muss wissen, dass er die Büchse der Pandora öffnet und Widerstand auch von unerwarteter Seite erfährt. Das gilt selbst dann, wenn das Instrument dieses Widerstands so unappetitlich ist wie der Diktator in Bagdad. Man muss sich deshalb nicht wundern, wenn in Händen der irakischen Armee plötzlich moderne Waffen aus russischer Produktion oder syrischen Quellen auftauchen. Wenn der Krieg weitergeht, wird es noch ganz andere Überraschungen geben.

Bei alledem geht es nicht um Amerika oder Europa, es geht nicht um das gute, friedliche, auf Kooperation geeichte Old Europe oder die angeblich sowieso aggressiven Amerikaner. Es geht ganz präzise um die aktuelle US-Regierung und wie man sie loswird. Der Weg dahin führt über die demokratische Stärke der amerikanischen Gesellschaft, über die intellektuelle Kompetenz vieler Meinungsführer, sich offensiv gegen den mörderischen Kurs ihrer Regierung zu stellen. Die Antwort auf das Trauma des 11. Septembers kann nicht sein, den Rest der Welt zu unterwerfen.

Das wird auch die Mehrheit in den USA bald begreifen, besonders wenn sie sehen, welchen Preis dieser Versuch bereits im Irak hat. Statt darüber nachzudenken, wie man mit den Bush-Kriegern kooperieren kann, sollte der Rest der Welt darüber nachdenken, wie man die Opposition in den USA am besten unterstützt – um die Abwahl von Bush & Co. zu befördern. JÜRGEN GOTTSCHLICH