: Enttäuschung in Israel
Israel betrachtet den Irakkrieg als „seinen“ Krieg. Umso irritierter ist man über das Vorgehen der USA
JERUSALEM taz ■ „Die amerikanischen Streitkräfte sind den irakischen so deutlich überlegen, dass die Operation, wenn sie erst einmal begonnen hat, sofort entschieden sein wird.“ Ehud Barak, ehemals Stabschef und später Premierminister Israels unterschätzte nicht zum ersten Mal in seinem Leben den Widerstandswillen eines Gegners.
Knapp zwei Wochen nach Beginn der US-amerikanischen Offensive gegen Saddam Hussein wollen die Militärs in Tel Aviv noch längst nicht Entwarnung geben. „Enttäuschung in Israel“, so die schwarz unterlegte Schlagzeile der Tageszeitung Maariw: „Die USA verzögern die Suche nach Scud-Raketen.“ Selbst die derzeit deutlich proamerikanische Zeitung Jediot Achronot schrieb: „Man möchte nicht undankbar erscheinen …, aber vielleicht sind die Bemühungen doch ein wenig gering.“
Immer noch sehen die Israelis die Gefahr eines Beschusses, denn 14 Raketenabschussbasen, über die die Uno-Inspekteure berichtet haben, sind bislang unentdeckt. Der überwiegende Tenor in den israelischen Medien geht dahin, dass die Amerikaner ihren eigenen Krieg führen und „in Israel wirklich keiner weiß, was im Irak passiert“, so die liberale Tageszeitung Haaretz. Die USA würden den israelischen Generalen, mit denen sie zusammenarbeiten, lediglich „das Gefühl geben, informiert zu werden“, meint auch Maariw.
Schon im Vorfeld der Offensive wurde Israel, entgegen anfänglicher Versprechen, von den Planungen ausgeschlossen. Hieß es Ende des letzten Jahres noch, dass Israel „mindestens zwei Wochen vor der Attacke“ benachrichtigt werden würde, bekam Premierminister Ariel Scharon schließlich ganze 30 Minuten vor Beginn der Offensive einen Anruf aus dem US-Außenministerium. Dabei ist, so schreibt Jediot Achronot, „noch nie ein Krieg, der nicht unserer war, so sehr unserer gewesen“. Der Leitartikel des auflagenstärksten Blattes rief die Leser auf, „den Soldaten die Daumen zu drücken“. Die Zeitung könnte mit ihrer Veröffentlichung von Bildern amerikanischer Soldaten, die irakischen Kindern die Hand geben oder sie auf den Armen tragen, kaum bündnistreuer sein. „In guten Händen“, so klärt die dick gedruckte Bildunterschrift zusätzlich den begriffsstutzigen Leser auf.
Nicht ganz zu Unrecht fragt Gideon Levy von Haaretz, ob „die irakischen Kinder nicht viel lieber von den eigenen Eltern getragen werden würden, als von einem fremden Soldaten“. Mit Blick auf die israelische Erfahrung warnt der Journalist vor einer langen Besatzung, die dazu führen könnte, dass die „amerikanischen Soldaten, die heute irakische Kinder auf den Armen tragen, eines Tages hinter ihnen herjagen, sie schlagen und töten werden, genau wie unsere Soldaten es tun“. Auch Maariw geht mit einer Fotozusammenstellung auf die „Ähnlichkeit“, so die Überschrift, zwischen zerstörten Häusern im Irak und im Westjordanland ein und zeigt Bilder von Gefangenen hier und dort. „Jahrelang haben die Briten und die Amerikaner Israel für das Vorgehen gegen den Terror in den besetzten Gebieten verurteilt, jetzt haben sie es selbst mit einer zivilen Bevölkerung zu tun und machen sich die Hände schmutzig“.
Auch ein Vergleich des britischen Außenministers Jack Straw zwischen Israel und Irak wird aufgegriffen. Straw hatte dabei eine schnelle Umsetzung des so genannten Fahrplans zu einer israelisch-palästinensischen Einigung im Sinn. Israelische Medien stellen die Frage, warum ausgerechnet jetzt die nahöstliche Friedensintiative ein Thema sein muss, und ob es sich dabei nicht nur um den Versuch handelt, auf dem Rücken Israels die US-europäische Krise beizulegen.