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Archiv-Artikel

London schreckt Flüchtlinge ab

Die britische Regierung schafft das Duldungsrecht ab. Abgelehnte Asylsuchende sollen künftig schneller abgeschoben werden. Doppel-Staatsbürgern, die den Interessen des Landes zuwiderhandeln, soll die britische Staatsbürgerschaft entzogen werden

aus London DOMINIC JOHNSON

Die britische Regierung hat durch die Hintertür das bisherige Duldungsrecht für Flüchtlinge abgeschafft. Wie das Innenministerium am Dienstagabend erklärte, werde die Duldung für Asylsuchende durch einen seltener zu erteilenden „humanitären Schutz“ ersetzt. „Humanitärer Schutz“ wird nur denen gewährt werden, die, obwohl keine Flüchtlinge, im Falle der Abschiebung im Land ihrer Rückkehr in schwere Leib- und Lebensgefahr durch Todesstrafe, illegale Tötung oder Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung geraten“, so das Innenministerium in einer schriftlichen Antwort an das Oberhaus. Der Schutz gilt drei Jahre lang und muss dann erneuert werden.

Bisher wurde Asylsuchenden in Großbritannien relativ unkompliziert eine Duldung erteilt. Das Land wurde dadurch in den letzten Jahren zum begehrtesten Ziel für Flüchtlinge in Europa. Die Maßnahme wurde zeitgleich mit dem Inkrafttreten eines 2002 vom Parlament verabschiedeten Pakets neuer Einwanderungs- und Asylgesetze verkündet, ist aber nicht Teil davon und ist auch nicht durch ein normales Gesetzgebungsverfahren gegangen. Innenminister David Blunkett hatte sie im Oktober 2002 angekündigt.

Die neuen Einwanderungs- und Asylgesetze, die formell am 1. April in Kraft getreten sind, haben restriktive und lockernde Facetten. Zu den Lockerungen gehört die Erleichterung der legalen Einwanderung für Arbeitsmigranten. So wird Großbritannien zum Beispiel das einfachste Migrationsziel für Auswanderer aus den EU-Beitrittsländern Osteuropas werden, noch bevor die EU-weiten Einreisebeschränkungen fallen.

Zu den Restriktionen gehört die schnellere Abschiebung abgelehnter Asylsuchender. So beteiligt sich Großbritannien ab diesem Monat zusammen mit Frankreich an Sammelflügen für abgeschobene Flüchtlinge nach Afghanistan. Paris hat in mehreren solchen „Charterflügen“ bislang 270 Afrikaner abgeschoben, teils unter erheblicher Gewaltanwendung.

Am meisten Aufsehen erregt die im Rahmen der Terrorismusbekämpfung ergangene Regelung, dass Leuten mit doppelter Staatsbürgerschaft künftig die Großbritanniens entzogen werden kann, wenn sie diese entweder durch Betrug erhalten haben oder in „ernsthaft nachteiliger Weise“ gegen britische Interessen handeln. Das zielt vor allem auf radikale Islamisten wie den Prediger Abu Hamza. Der gebürtige Ägypter kam im Jahre 1980 nach Großbritannien, wo er nach der Heirat mit einer Britin auch die britische Staatsbürgerschaft erhielt. Aus seiner Nordlondoner Moschee in Finsbury Park predigte er den Heiligen Krieg, bis die Polizei im Januar die Moschee schloss.

Hamza solle als einer der ersten die Anwendung der neuen Regelung zu spüren bekommen, sagte der Labour-Abgeordnete Andrew Dismore. „Er will Großbritannien zu einem Taliban-Staat machen und hat daher keinen Platz in diesem Land.“