: „It‘s a Family Affair“
Wenn der Vater mit dem Sohne: Mario Van Peebles „Gettin‘ the Man’s Foot Outta Your Badass!“ im Panorama
Über Melvin Van Peebles, Student der Astrophysik, Bomberjet-Navigator der Air Force, Cable Car Operator in San Francisco, Übersetzer, Journalist, Musiker, Schriftsteller und Filmemacher ist bereits so viel geschrieben worden, dass es vielleicht einmal an der Zeit wäre, seine Talente als Marketingstratege zu würdigen. Weil sein selbst produzierter Film „Sweet Sweetback’s Baadassss Song“ (1971) von der MPAA mit einem X-Rating – gewöhnlich Pornofilmen vorbehalten – an der Kinokasse vernichtet werden sollte, ließ Van Peebles T-Shirts drucken mit Filmtitel und der Unterzeile „Rated X by an All-White Jury“. Und weil ihm kein Geld für Printanzeigen zur Verfügung stand, ging er mit dem Soundtrack unter dem Arm auf Interviewtour durch die Radiostationen Detroits und ließ die Titelmelodie so oft wie möglich abspielen: Guerilla Marketing fürs Guerilla Cinema.
Gäbe es Gerechtigkeit im Showbusiness, sollten ihm allein für diese Ideen aus den Marketingabteilungen der Unterhaltungsindustrie jährlich massenweise Tantiemen in die Taschen strömen. Die Einspielergebnisse aus Gordon Parks „Shaft“, dessen Drehbuch nach dem Erfolg von „Sweetback“ kurzfristig für eine schwarze Hauptfigur umgeschrieben wurde, sanierten noch im selben Jahr die finanziell angeschlagene MGM. „Sweetback“ wird seither als Initialzündung für das Blaxploitation-Kino der Siebziger gehandelt. Hinter dieser wahren Behauptung steckt jedoch eine unwahre, die als Missverständnis wiederum erhellend ist: Während Richard Roundtree als „Shaft“ zwar auch das Image „bad, mean and tough motherfucka“ verkörpern sollte, war sein Charakter doch von Anfang an festgelegt auf den moralisch integren Helden, der in der Community mit harter Hand für Ordnung sorgt.
Sweetback hingegen steht für „The Trinity of the Pusher, the Pimp and the Panther“ (Darius James) – ein anfangs opportunistischer Schwarzer, der sich als Informant für die Polizei und als „performing dick“ zum Vergnügen der Weißen durchschlägt. Wenn er die beiden Polizisten tötet, die dabei sind, einen Schwarzen zu Tode zu prügeln, geschieht dies aus einem Reflex heraus, der sich erst im Laufe des Films zu so etwas wie politischem Bewusstsein entwickeln sollte. Shaft bekam mehrere Fortsetzungen und ein Remake, Van Peebles nie wieder ein Filmangebot eines Studios.
„Gettin’ the Man’s Foot“ ist der Spielfilm des Sohns über die strapaziösen Dreharbeiten von 1971. Leider gerät Mario Van Peebles, von seinem Vater damals schon in der Eingangsszene als junger Sweetback eingesetzt, die Geschichte zu einem Familienalbum nach der Melodie: Wenn der Vater mit dem Sohne. So erfahren wir wenig über die politischen und kulturellen Kämpfe der Schwarzen nach dem Ende der Sechzigerjahre, dafür viel über das Verhältnis der beiden, unter anderem, dass Papa damals erst nach längerem Zureden darauf verzichtete, den Afro des Sohnes für eine Szene zu opfern. DIETMAR KAMMERER
Heute: 21.30 Uhr, Zoo Palast, Morgen: 14 Uhr, Cinemaxx 7, Donnerstag, 17 Uhr, International