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Archiv-Artikel

eject ARNO FRANK über Wellen aus Stahl in Wüsten aus Sand

‘s ist Krieg, und ich begehre keine Ahnung davon zu haben

„Embedded“, „eingebettet“ also, „im Bett mit“ und damit – seien wir ehrlich und entsprechend drastisch – „sich ficken lassend“ von der 7th US Cavalry meldete atemlos der CNN-Journalist Roger Walters jüngst von der Front: „Es ist unglaublich! Wir reiten auf einer Welle aus Stahl unaufhaltsam durch die Wüste nach Bagdad!“ Was für ein Satz, wirklich unglaublich.

Ein anderer, noch viel unglaublicherer Satz: „Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst.“ Müssen wir das glauben? Und wie dürfen wir uns das vorstellen? Vielleicht so: Die Wahrheit hüpft quietschfidel und nichts Böses ahnend in ihrem Blümchenkleid durch die Weltgeschichte, bis plötzlich … gleich die erste Kugel … mitten durchs Herz … die schöne Wahrheit …schnüff.

Ist das so? Hat nicht zuallererst irgendein armer Araber in den Wüstensand gebissen? Und könnte es sein, dass die Wahrheit auch in Friedenszeiten nicht immer topfit ist? Dass die Wahrheit in Wirklichkeit eine ziemlich wackelige, eigentlich eitle Erfindung jener ist, die sie so gerne im Mund führen und auf ihr herumlutschen?

US-Präsident George W. Bush hat am 15. März – neben Flugzeugträgern, tödlichen Drohnen, Streubomben und Raketen – den „Augenblick der Wahrheit“ als allerschwerstes Geschütz in Stellung gebracht. Ihm sekundierte später sein Brigadegeneral und Filmvorführer Vince Brooks in seinem „Star Trek“-Presseraum: „Von diesem Podium geht die Wahrheit aus.“

Die Bild-Zeitung, wo sich lautere Redakteure bekanntlich täglich auf der Suche nach der Wahrheit die Hacken ablaufen, dichtete traurig: „Die Urteile glichen Dünen im Wind. Und manchmal verhüllte die Wahrheit das Haupt“ – mit einem Palästinensertuch? Mit dem Sportteil der Bild? Die Neue Presse aus Hannover gibt tapfer zu bedenken: „Aber wir werden wissen, dass diese Bilder höchstens die halbe Wahrheit sind“ – wenn man die andere Hälfte gefunden hat, kann man sie dann wieder zusammensetzen? Auf ein bigger picture, ein „großes Ganzes“ können wir da genauso lange warten wie auf den Nikolaus – beides sind pure Behauptungen.

Es sei denn, den nächsten Krieg nähme eine Koalition aus NBC, CNN und Fox alleine in die Hand – dann wären Bilder mit ihren Produzenten vollends deckungsgleich.

„Was ist Wahrheit?“, fragte sich schon Oswald Spengler: „Drei Wochen Pressearbeit und alle Welt hat die Wahrheit erkannt. Ihre Gründe sind so lange unwiderlegbar, als Geld vorhanden ist, sie ununterbrochen zu wiederholen.“ Unter geht diesmal übrigens eher das Morgen- als das Abendland.