: Viel gesaugt, kaum ermittelt
Bundesnachrichtendienst überwacht altertümliche Kommunikationsmittel und produziert dabei einen mutmaßlichen Terroristen. Verfassungsschutz und MAD lauschen im bescheidenen Maßstab
von WOLFGANG GAST
Großer Aufwand – geringer Ertrag. Bei der Überwachung des internationalen Fernmeldeverkehrs haben die Spezialisten des Bundesnachrichtendienstes zwischen Juli 2001 und Juli 2002 insgesamt 9.975 so genannte „G-10-Nachrichten“ für den Bereich des internationalen Terrorismus herausgefiltert.
Als „nachrichtendienstlich relevant“ galten davon 73. Und von diesen konnten 30 Meldungen wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung an die Strafverfolger weitergegeben werden. In einem einzigen Fall kam es zu einem Ermittlungsverfahren des Generalsbundesanwalts gegen einen mutmaßlichen Terroristen. Diese magere Bilanz geht aus einem noch unveröffentlichen Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) an den Bundestag vom März hervor, der der taz vorliegt.
Die so genannten „G-10-Nachrichten“ sind Informationen, die der Bundesnachrichtendienst (BND) bei der automatisierten Auswertung der internationalen Fernmeldeverkehre unter Zuhilfenahme von Suchbegriffen ermittelt – im BND-Jargon spricht man vom „elektronischen Staubsauger“. Dass es mit mit Sauger nicht zum Besten bestellt ist, geht ebenso aus dem Bericht der PKG hervor. Wie schon im Jahr zuvor hebt die neunköpfige Kommission hevor, dass die überwiegende Anzahl der eingehenden Meldungen nach wie vor aus Telex-Verbindungen gewonnen werde. „Telexverkehre machen nur noch einen vernachlässigbaren Restanteil an verwertbaren Meldungen aus“, heißt es im Bericht, und „dies ist insbesondere auf den fortgesetzten Wandel hin zur verstärkten Nutzung moderner Kommunikationstechniken zurückzuführen.“
Nicht viel besser sieht es im Bereich der Proliferation aus, der illegalen Weitergabe von Rüstungsgütern und -technologien. 27.318 Meldungen spuckte das Nachrichtensuchsystem aus – für Nachrichtendienstler relevant waren davon 551, für die Strafverfolgungsbehörden keine. Ähnliches zählt der PKG-Bericht bei der „international organisierten Geldwäsche“. In diesem dritten Bereich, wo dem Geheimdienst die weltweite Überwachung der Kommunikationswege erlaubt ist, stehen 855 herausgefilterten Nachrichten 8 „relevante“ gegenüber.
Zuständig ist das Parlamentarische Kontrollgremium auch für die Kontrolle so genannter G-10-Maßnahmen, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) durchgeführt werden. Der Name G 10 leitet sich dabei aus dem Artikel-10-Gesetz ab, das die Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses regelt.
Während die Möglichkeiten des elektronischen Staubsaugers offenbar überschätzt werden, sind die Befürchtungen gegen die Überwachung durch BfV und MAD dem Bericht zufolge wohl eher übertrieben: Sie lauschen sehr bescheiden. Die Zahl der jeweils für drei Monate genehmigten Überwachungen lag im einjährigen Berichtszeitraum zwischen 32 und 38 Verfahren. Die Anzahl der betroffenen Personen schwankte dabei zwischen 189 und 232. Überwacht wurden rechts- und linksextremistische Bestrebungen von In- und Ausländern, Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten. MAD und BND stellten nach dem Bericht nicht einmal einen Antrag auf die Einleitung einer G-10-Maßnahme.
Das heißt aber nicht, dass Deutschland seinen Rang als Abhörweltmeister eingebüßt hat. Gelauscht wird heftig, allerdings im Bereich der Strafverfolgung und mit richterlicher Genehmigung. Bundesländer und Bundesanwaltschaft ordneten 2001 in 3.868 Fällen telefonische Überwachungsmaßnahmen an.