Operation Patientenbetrug

Ärzte und Kassen wollen Qualitätsstandards nur für seltene Operationen einführen. Uni-Ärzte, Patientenbeauftragte und Gesundheitspolitiker fordern: Ulla Schmidt soll Druck machen

BERLIN taz ■ Seit drei Jahren blockieren Ärzte- und Kassenvertreter die Umsetzung eines Gesetzes zur Qualitätssicherung in Krankenhäusern. Auch mit einer nun gefundenen Regelung werden Patienten betrogen, kritisierte die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Helga Kühn-Mengel (SPD). Die Selbstverwaltung „unterläuft unsere Gesetze“, erklärte sie der taz.

Der zuständige Bundesausschuss aus Ärzte- und Kassenvertretern hat festgelegt, dass es so genannte Mindestmengen nur für fünf seltene Operationen geben soll: Entfernungen der Speiseröhre, der Bauchspeicheldrüse sowie Leber-, Nieren- und Stammzelltransplantationen. Mindestmengen sind die Mindestanzahl von Operationen, die ein Krankenhaus für schwierige Eingriffe vorweisen muss. Nur wer genug Erfahrung hat, soll operieren, lautet die wissenschaftlich belegte Logik.

Der Bundesausschuss hätte Mindestmengen auch für häufige Eingriffe wie Brustkrebs- oder Prostata-OPs festlegen müssen, sagte Kühn-Mengel: „Da hätte mehr bei rumkommen müssen.“ Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Klaus Kirschner (SPD), sagte, der Beschluss „zeigt mal wieder, dass es in der Selbstverwaltung am allerwenigsten um die Patienten geht“. Er forderte die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) auf, „dass sie die Entscheidung zurückweist und deutlich macht, dass im Interesse der Qualitätssteigerung die Messlatte höher zu legen ist“. Ausgesprochen scharfe Kritik an der Arbeit des Bundesausschusses kommt auch vom Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD).

In einer der taz vorliegenden VUD-Stellungnahme erklärten die Münchner und Tübinger Ärzte Rüdiger Strehl, Jörg Siewert und Martin Siess: Mit der Vereinbarung „wird der Gesetzgeber sein Ziel der Verbesserung des Versorgungsniveaus mit Sicherheit nicht erreichen. Im Gegenteil, es besteht die Gefahr, dass die Regelung mehr schadet als nützt.“ Die festgelegten Mindestmengen würden jeder auch noch so schlecht ausgerüsteten Klinik die Erlaubnis geben, auch Hochrisiko-Patienten zu behandeln.

In 300 großen Studien ist laut VUD nachgewiesen, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen Fallzahl und Ergebnisqualität für große Operationen und schwierige Krankheiten gibt: unter anderem Aids, viele Herz- und Herzkranz-Operationen und die Versorgung von Frühgeborenen. Vielleicht jedoch, ätzten die Uni-Mediziner, „ist der Wunsch nach einer Verbesserung der Ergebnisqualität nur bei Patienten entsprechend ausgeprägt“.

Das Gesundheitsministerium erklärte sich bislang für nicht zuständig. „Das ist Sache der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen“, sagte ein Sprecher zur taz. „Wir können das noch nicht einmal prüfen.“

ULRIKE WINKELMANN

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