: Vom Ankommen und Abheben
Die Rolle der Kunst in Zeiten globaler Mobilität, die Rolle der Künstler zwischen den Kontinenten: Videoarbeiten des aus Singapur stammenden Heman Chong und der französischen Künstlerin Isabelle Cornaro in der Galerie Sparwasser HQ
von MICHAEL NUNGESSER
Anfangs blieb der Besucher gleichsam ausgesperrt. Denn der erste Teil der Videoausstellung mit dem Titel „Lost (Found Tracks)“ war nur von der Straße aus im abgedunkelten Schaufenster der Galerie Sparwasser HQ zu sehen, am besten gegen Abend, wenn der Straßenlärm abnahm und somit auch der Soundtrack der Arbeiten besser wahrgenommen werden konnte. Heman Chong zeigte drei sich wiederholende unspektakuläre Bildsequenzen vom Ankommen oder Abheben auf internationalen Flughäfen als anonymes Eintauchen wie Verlorensein in einer Fülle von kaum mehr identifizierbarem Neuen. Unterlegt waren die Bilder mit Tonaufnahmen aus den fünf Metropolen London, Tokio, Paris, Beijing und Singapur. Ihre Herkunft unterschied sich, sie stammten aus dem Fernsehen, von Live Performances oder von der Straße. Für den Betrachter in der Torstraße kam noch die aktuelle Audiokulisse hinzu, die irritierende Interferenzen schuf.
Das Vermischen von Bild- und Ton-Ebenen und ihre Durchdringung mit der Realität Berlins resultiert aus der konkreten Erfahrung eines zwischen Kontinenten reisenden Künstlers. Der aus Singapur stammende Heman Chong, (geb. 1977), ist in diesem Jahr Gastkünstler im Künstlerhaus Bethanien. Er arbeitet mit verschiedenen Techniken – Grafik, Fotografie, Text, Video – und beschäftigt sich vor allem mit Themen wie Mobilität, Nomadentum und Urbanität, die nicht nur in steigendem Maße Flüchtlinge, Migranten und Touristen betrifft, sondern auch Künstler. Chong hat schon in verschiedenen Ländern wie Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Indien, Japan, Singapur und Spanien ausgestellt, bei Festivals und Biennalen, so zum Beispiel auch bei „In Transit“ und „Transmediale“ – beide im Berliner Haus der Kulturen der Welt.
Den zweiten Teil der genannten Ausstellung in der Galerie Sparwasser HQ bestreitet Chong mit der in Paris lebenden französischen Künstlerin Isabelle Cornaro (geb. 1974), die ebenfalls hauptsächlich mit Zeichnungen, Text und Video arbeitet. Beide beschäftigen sich in mehreren Videodokumentationen mit der Rolle asiatischer Künstler im internationalen Ausstellungsgeschehen und deren enormer Aufwertung in den letzten Jahren. Ihr dokumentarisches Vorgehen ist mühselig und verlangt auch vom Rezipienten viel Aufmerksamkeit angesichts bildlich-akustischer Brüche und technischer Unzulänglichkeiten. Ausgangspunkt ihrer Recherchen war die von Hou Hanru und Hans-Ulrich Obrist kuratierte Wanderausstellung „Cities on the Move“, die als offene, den jeweiligen Bedingungen vor Ort angepasste Schau in Wien, New York, Helsinki, Bordeaux oder Bangkok stattfand. Auf Monitoren sind Interviews mit den Ausstellungsmachern und dem Architekten der Londoner Ausstellung, Rem Koolhaas, zu sehen, die über die Rolle der Künstler im Chaos der Städte sprechen. Im Videofilm „The End of Travelling (Trip to Asia Town and Back)“ untersuchen Chong und Cornaro die Rolle der Kunst in Zeiten globaler Mobilität genauer.
Sie stellen Interviews mit international agierenden asiatischen Künstlern wie Lee Wen, Heri Dono, Wong Hoy Cheong und Ken Lum neben Bildsequenzen unterschiedlicher Quellen aus Paris, London, Singapur, Tokio, Kuala Lumpur und Yogyakarta. Urbane und ökonomische Strukturen sind überall im Fluss und sich ähnlich. Die Künstler aber werden als Repräsentanten kultureller Identität gehandelt, die sich auf medial leicht vermittelbare ästhetische Differenzen reduzieren. Doch die besonderen Bedingungen, unter denen Kunst entsteht und wirkt, kommen selten zum Vorschein. Oft werden nur die Klischees vom Anderen bedient. Immerhin macht aber einer der Interviewten deutlich, dass Undergroundkunst in Japan etwas anderes bedeutet als zum Beispiel in China: Was in Japan als cool und von den Künstlern selbst bestimmt wird, definiert in China rigoros die Polizei.
Bis 12. April, Mi.–Fr. 16–19, Sa.–So. 14–18 Uhr; 11./12. 4. bis 23 Uhr, Galerie Sparwasser HQ, Torstraße 161, Mitte