Vorstoß zum Präsidentenpalast

Rund 50 US-Panzer dringen ohne großen Widerstand ins Zentrum Bagdads vor. Demonstrativ zeigt sich daraufhin Iraks Informationsminister der Presse

von BERND PICKERT

US-amerikanische Truppen sind gestern erneut bis ins Zentrum der irakischen Hauptstadt Bagdad vorgedrungen. Laut Armeeangaben waren an dem Vorstoß 40 bis 50 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge beteiligt. Die US-Einheiten trafen auf Widerstand, der sie offenbar jedoch nicht aufhalten konnte.

US-Brigadegeneral Vincent Brooks sagte beim täglichen Pressebriefing im US-Hauptquartier in Doha, es gehe noch nicht darum, die Stadt zu besetzen. Die Militäroperation zeige aber – und das sei auch gewollt –, dass das irakische Regime nicht mehr in der Lage sei, den US-geführten Truppen den Zugang zur Stadt zu verwehren, wann und wo immer diese das wollten.

Das deutet darauf hin, dass sich an der seit dem ersten Tag des Krieges verfolgten Strategie noch immer nichts geändert hat: Durch Verunsicherung und Angriffe auf die irakische Führungsstruktur soll das Regime destabilisiert werden. Offenbar hoffen die USA weiterhin darauf, einen Zusammenbruch der Regierung auch ohne einen vollständigen militärischen Sieg nach verlustreichem Kampf Haus für Haus und Straße für Straße erreichen zu können.

In diesem Kampf um die öffentliche Berurteilung der Lage spielt noch immer der irakische Informationsminister Said al-Sahhaf den prominenten Gegenpart: Nach mehreren US-Angriffen auf das Gebäude des Informationsministeriums hielt al-Sahhaf seine tägliche Pressekonferenz gestern auf der Straße ab und erklärte die US-amerikanischen Angaben zu Lügen. In Wirklichkeit seien die US-Amerikaner nicht in Bagdad, sondern würden an den Stadtmauern „Selbstmord begehen“.

Allerdings dauerten die Kämpfe in Bagdad nach Angaben von Korrespondenten noch am Nachmittag an, und niemand wusste zu sagen, ob oder wann sich die US-Einheiten wie erwartet wieder aus Bagdad zurückziehen würden. Nach Angaben aus dem US-Hauptquartier bleiben solche Entscheidungen den Kommandeuren vor Ort überlassen. Für eine vollständige Besetzung Bagdads, da sind sich die meisten Beobachter einig, verfügen die USA derzeit noch über zu wenige Truppen vor Ort. Es wird einige Zeit dauern, bis sich das ändert, denn Verstärkung muss noch immer über Kuwait das Land durchqueren.

Dort, im Südirak, haben die britischen Truppen gestern nach eigenen Angaben die Kontrolle über die Stadt Basra übernommen. Nach rund zweiwöchiger Belagerung hatten britische Panzer am Sonntagabend in die Stadt vorrücken können – sie wollten nunmehr dort bleiben, sagte der britische Verteidigungsminister Geoff Hoon vor Journalisten in London. Tausende britische Soldaten seien gestern nachgerückt, berichten Korrespondenten übereinstimmend aus Basra. Die Belagerung und schließliche Besetzung der Stadt wurde von Militäranalysten als beispielhaft gewertet – und als mögliches Vorbild für den Kampf um Bagdad.

US-General Brooks schrieb dem irakischen Regime gestern noch immer gewisse militärische Kapazitäten zu, allerdings sei das Regime immer weniger in der Lage, koordiniert vorzugehen. Auf lokaler Ebene könnten zwar die Kommandeure ihre Einheiten noch in den Kampf schicken, Befehle aus den irakischen Kommandozentralen könnten jedoch immer weniger ausgeführt werden oder kämen gar nicht erst an.