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Archiv-Artikel

Gewitterziegen stehen im Regen

Trotz Mädchenförderplan und Mädchenkoordinatorin im Amt für Soziale Dienste: Den Bremer Projekten geht es schlecht. Es fehlt an allen Ecken und Enden – und vor allem an Personal. Krankwerden ist für die Betreuerinnen nicht drin

taz ■ Die Gewitterziegen meckern nicht, obwohl sie allen Grund dazu hätten. 8.000 Euro fehlten dem Mädchentreff in der Neustadt momentan, rechnet die Sozialpädagogin Ruken Aytas vor. Noch einmal 14.000 Euro bräuchten sie, um ihr Programm so durchziehen zu können, wie geplant – und sich dabei nicht zu verschulden. „Im schlimmsten Fall müssen wir die letzten beiden Monate im Jahr schließen“, schildert Aytas die Situation.

Das Problem: Die Ausgaben für Jugendarbeit in Bremen sind seit Jahren nicht mehr erhöht worden – trotz steigender Betriebs- und Personalkosten. Den Gewitterziegen zahlt das Amt für Soziale Dienste immerhin einen Teil der Miete und die Stellen von Aytas und ihrer Kollegin. Für alles, was darüber hinausgeht – die Anschaffung eines Kopierers, Ausflüge, Telefonkosten oder Materialien –, stellen sie Anträge an andere öffentliche Stellen und hoffen auf Spenden und Sponsorengelder.

„Mittlerweile müssen wir auch Teilnehmerbeiträge nehmen“, sagt Aytas. Für die Mädchen, die zur Hälfte aus Migrantenfamilien kommen, eigentlich zu viel, befürchtet sie. Aber: „Auch wenn es nur 1,50 Euro sind – wir brauchen das.“

Doch das größte Problem können diese Finanzspritzen nicht beseitigen: Die Personalnot. Wenn wie am Montag eine Mitarbeiterin im Urlaub ist und die andere ihren freien Tag nimmt, stehen die Mädchen vor verschlossenen Türen. Für eine Honorarkraft, die in solchen Situationen einspringen kann, ist kein Geld da. „Wenn das häufiger passiert, kommen die Mädchen nicht mehr“, sagt Aytas. Krankwerden sei deshalb nicht drin.

Business as usual, auch in den anderen vier Bremer Mädchenprojekten. Vielleicht liegt es daran, dass die Lage in den ersten Jahren noch dramatischer war. Zu Beginn der 90er Jahre mussten sich die Mädchenprojekte mit befristeten ABM-Stellen über Wasser halten und standen permanent vor dem Aus. Mittlerweile ist das Überleben der Projekte durch den Mädchenförderplan und eine Mädchenkoordinatorin im Amt für Soziale Dienste immerhin theoretisch abgesichert.

Doch mehr als ein Irgendwie-Durchkommen ist es nicht. Und jetzt verschärft sich die Lage erneut. Arbeits- und Sozialämter wollen sich einen großen Teil der Weiterqualifizierungsmaßnahmen wie ABM und BSHG 19 nicht mehr leisten.

Davon sind auch das Mädchenkulturhaus im Viertel und der Mädchentreff Lilas Pause in Bremen Nord betroffen. Beide Einrichtungen werden überwiegend von Ausländer-Kids besucht. „Die Mittelschichtsmädchen kommen seltener als früher, die haben auch andere Möglichkeiten“, sagt Heike Froberg vom Mädchenkulturhaus.

Doch es gebe immer noch genug Mädchen, die „woanders an den Rand gedrängt werden“, meint Frohberg: Im Mädchenkulturhaus treffen sich seit zwei Jahren behinderte Mädchen. Ende Februar lief der ABM-Vertrag derjenigen aus, die diese Gruppe aufgebaut hatte. Für eine neue Stelle ist kein Geld da.

Eiken Bruhn