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Archiv-Artikel

Zeigen, wo die Grenze ist

Das Jugendamt prüft, ob den Eltern des 16-jährigen Sawis J. das Sorgerecht entzogen wird. Der Grund: Sie sollen die Gewalttat ihres Sohnes befürwortet haben. Sawis J. hatte fünf Lehrer verletzt

von LUCIA JAY

Der Fall des 16-jährigen Sawis J. erregt weiterhin die Gemüter. Auch Innensenator Erhart Körting (SPD) hat sich jetzt eingeschaltet und sprach sich für ein hartes Vorgehen gegen jugendliche Mehrfachtäter aus. Besonders in der Erziehung müsse ihnen „deutliche Grenzen“ gesetzt werden. Damit reagierte Körting auf den Angriff, bei dem Sawis J. in der letzten Woche fünf Lehrer verletzt hatte. Es müsse endlich Schluss sein mit der Pädagogik der 60er- und 70er-Jahre, alles zu verstehen und zu verzeihen, so Körting.

Sawis J. wollte am vergangenen Donnerstag seine Freundin, Schülerin an der Gustav-Heinemann-Oberschule, rächen. Nach eigenen Angaben ist sie von einer älteren Schülerein beleidigt worden. Sawis J. wurde auf dem Schulhof von dem stellvertretenden Schulleiter der Schule aufgehalten. Als der versuchte, den aufgebrachten Jungen zu beruhigen, brach Sawis ihm das Nasenbein und verletzte weitere vier Lehrer in dem Handgemenge. Es soll nicht das erste Mal gewesen sein, dass Sawis handgreiflich geworden ist. Auch an seiner eigenen Schule, der Lestikow-Schule in Zehlendorf, steht ihm der Schulverweis wegen Schlägerei bevor. Insgesamt sollen es 62 Fälle sein, in denen die Polizei bereits auf Sawis J. aufmerksam wurde. Verurteilt wurde er bisher nie. Seit Freitag sitzt er in der Untersuchungshaft in der Jugendstrafanstalt Plötzensee.

Karl Pentzliehn, Schulleiter der Gustav-Heinemann-Oberschule begrüßt es, dass gegen Sawis J. Haftbefehl erlassen worden ist: „Wenn man gesehen hat, wie der einfach zugeschlagen hat, fragt man sich, warum so jemand frei herumläuft.“

Das zuständige Jugendamt erwägt mittlerweile, einen Antrag beim Familiengericht zu stellen, um den Eltern das Sorgerecht für Sawis zu entziehen. Den Anlass dafür gaben die positiven Reaktionen der Eltern auf die Gewalttat ihres Sohnes. „Ich bin stolz, dass er sich gewehrt hat“, werden die Worte des Vaters, gebürtiger Iraner, in den Medien wiedergegeben. Die Eltern sollen mit Äußerungen wie „Die Lehrer wollen meinen Sohn nur fertig machen, weil er Ausländer ist“ die Aufmerksamkeit des Jugendamtes auf sich gezogen haben. Sawis’ deutschstämmige Mutter drohte dem stellvertretenden Schulleiter der Gustav-Heinemann-Oberschule mit den Worten, wenn ihr Sohn nicht freigelassen werde, dann werde sich ihr Mann um den Schulleiter „kümmern“, berichtet der Schulleiter Pentzliehn. „Wenn es stimmt, dass die Eltern so hinter der Gewalttätigkeit ihres Sohnes stehen, dann sind sie nicht geeignet, ihren Sohn zu erziehen.“

Voraussetzung für eine Entziehung des Sorgerechtes sei eine Vernachlässigung der Sorgerechtspflichten, so Rita Herrmanns, Senatssprecherin für Schule, Jugend und Sport. Von der zuständigen Jugendstadträtin für Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler (SPD), war gestern keine Stellungnahme zu erhalten. Anfang der Woche hatte sie angekündigt, den Fall eingehend zu prüfen und, bevor eine Entscheidung bezüglich des Sorgerechts getroffen werden könne, noch mit den Eltern und dem Sohn zu sprechen. Körting hatte am Montag im Innenausschuss begrüßt, dass das Jugendamt familienrechtliche Maßnahmen prüft: „Wenn der Vater und die Mutter wirklich gesagt haben: ‚Die Tat unseres Sohnes finden wir prima‘, könnte es an erheblichen Sorgerechtspflichten fehlen.“