„Wir“: Es gibt ihn immer noch, den „Wir sind jetzt in Berlin“-Film
: Überschuss an Zukunft

Berlin, Berlin, du große Stadt, ich find‘s so cool, dass ich hier eine Wohnung hab‘. Das singt niemand in diesem Film. Würde aber passen. In Wir, der Abschlussarbeit des jungen Potsdamer Filmhochschülers Martin Gypkens, sehen wir junge Menschen, die man zunächst nur schwer auseinander halten kann. Das liegt auch daran, dass sie in jeder Szene wieder andere Kleider tragen – nicht irgendwelche, sondern genau die richtige Mischung aus Secondhand und Zara natürlich.

Aber auch die Gesichter sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, zum Verwechseln ähnlich. So jung und weich. Was dahinter vorgeht, ist reichlich verworren.

Aber so ist das Leben mit Mitte zwanzig, schon wahr. Man weiß nicht, was man will, verhält sich irgendwie und kommt ganz woanders heraus, als man gedacht hat. In Wir ist es das Begehren, das eine Kettenreaktion auslöst, die am Schluss alles verändert. Danach ordnen sich die Personen neu, wie Teilchen in einem Magnetfeld. Einer bekommt statt der großen Liebe den Hund, den er sich immer gewünscht hat. Ein anderer dreht seinen Film, obwohl ihm gar nicht mehr danach zumute ist.

Es ist weniger die Geschichte, durch die dieser Film bezaubert, als vielmehr sein eigentümlicher Schwebezustand. Alles ist ungewiss, alles kann jederzeit passieren. Diesen Überschuss an Zukunft spürt man deutlich, während man den Protagonisten beim Leben in ihren Altbauwohnungen zusieht.

Andererseits wundert man sich schon ein bisschen über das „Hurra, ich bin jetzt in Berlin“-Gefühl, das den Film durchzieht. Da scheint dann doch Autobiographisches durchzuschlagen, aber der Regisseur ist ja auch jung. Und von dem einen oder anderen Schauspieler wird man sicherlich noch hören. Daniel Wiese

täglich 19 Uhr, 3001; 15.30, 17.45, 20.15 Uhr, Freitag + Samstag auch 22.30 Uhr, Neues Broadway