: Erfolgreich kuscheln
In der Grundschul-Vergleichsstudie „Iglu“ stehen deutsche Schüler gut da. Kritiker der Ausweitung von „Kuschelpädagogik“ haben es nun schwerer
von MATTHIAS BRAUN
Wer an ein Iglu denkt, assoziiert Menschen, die nicht ganz so hoch gewachsen sind und immer lächeln. Insofern hat die „Internationale Grundschul-Leseuntersuchung (Iglu)“, deren deutschlandweite Ergebnisse gestern in Berlin vorgestellt wurden, den richten Namen. Denn sie dreht sich um kleine Menschen, um Grundschüler, und bietet Anlass zur Freude.
Nach dem Pisa-Schock lautet die gute Nachricht: Die Iglu-Ergebnisse sind besser. Deutsche Viertklässler schneiden im europäischen Vergleich vor allem in den Naturwissenschaften gut ab. International liegt Deutschland auf Platz 11 – in etwa gleichauf mit den USA, Italien und Bulgarien. Das verwundert nicht. Denn anders als alle weiterführenden Schulen sind deutsche Grundschulen besser darauf eingestellt, Kinder individuell zu fördern. Was liegt da als politische Forderung näher, als das Grundschulkonzept auch auf ältere Klassen auszudehnen.
Mit dieser Idee trat denn auch die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Bildung (GEW), Eva-Maria Stange, gestern auf den Plan. Das längere gemeinsame Lernen über die vierte Klasse hinaus führe zu weniger Brüchen in der Bildungsbiografie von Kindern, so Stange. Unterstützt wurde sie darin von der Bildungsexpertin der Liberalen, Ulrike Flach. Die fordert, das Grundschulkonzept auf alle Schüler bis zur sechsten Klasse auszudehnen. „Man muss, wenn Forschungsergebnisse auf dem Tisch sind, auch wirklich offen diskutieren“, sagte Flach gestern.
Nicht nur ihre Partei sieht das anders. Die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Böhmer, kanzelte solche Vorschläge als „Gesamtschulideologie und Kuschelpädagogik“ ab. Die Konsequenz aus der Iglu-Studie müsse sein, Kinder in jüngeren Jahren als bisher einzuschulen. Während deutsche Kinder mit 6,8 Jahren eingeschult würden, beginne schulische Bildung anderswo mit vier oder fünf Jahren.
Dagegen spricht, dass die Leistungen in deutschen Schulen nach der vierten Klasse im europäischen Vergleich – siehe Pisa – wieder abnehmen. Zudem bietet der Vorschlag Böhmers keine Lösung für folgendes Problem an: Die Auslese für die weiterführenden Schularten nach der vierten Klasse benachteiligt Kinder aus sozial schwachen Haushalten. Auch das hat Iglu ans Licht gebracht. Die Debatte um eine Reform des dreigliedrigen Schulsystems ist eröffnet.
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