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Archiv-Artikel

Probleme ab Klasse fünf

IGLU-Grundschultest überraschte mit gutem Ergebnis. Nur zehn Prozent gehören zur Risikogruppe, bei PISA war es ein Viertel. Neue Debatte über Schulformen

Das Lob von Hamburgs Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) fällt schmal aus: Als „relativ erfreulich“ bezeichnet dieser die Ergebnisse der Internationalen Grundschul-Leseuntersuchung (IGLU) in einer Presseerklärung. Nach dem „niederschmetternden Ergebnis“ der PISA-Studie landeten Deutschlands Grundschulen nun auf Platz elf von 35. Wichtiger noch: die Zahl der Schüler, die große Schwierigkeiten mit dem Lesen und Verstehen von Texten haben, ist mit zehn Prozent weit geringer als bei der PISA-Studie (20 Prozent). Viertklässler lernen demnach besser und sind besser motiviert als 15-Jährige.

Ein Rückschluss ist hier offenkundig: Deutschlands Schulprobleme beginnen ab Klasse fünf, wenn nach Schulformen selektiert wird. „Offenbar sind die pädagogischen Konzeptionen an den Grundschulen in einem höheren Maße altersgemäß und geeignet, heterogenen Lerngruppen gerecht zu werden“, schreibt die Kultusministerkonferenz in ihrer IGLU-Bewertung.

Mit der Studie würden „alle diejenigen Lügen gestraft“, die die vielfältige pädagogische Reformarbeit in den Grundschulen als „Kuschelpädagogik diffamieren“, schreibt GEW-Sprecherin Ilona Wilhelm in einer Erklärung. Offensichtlich gelänge es den Lehrkräften gut, Kinder mit „unterschiedlichen Fähigkeiten“ und verschiedenem kulturellen und sozialen Hintergrund zu guten Leistungen zu führen. Wilhelm kritisiert vor diesem Hintergrund das geplante Lehrerarbeitszeitmodell: die Mehrbelastung der Grundschullehrer und die Erhöhung der Klassenfrequenzen sei „kontraproduktiv“. Die Kollegen würden „weniger Zeit“ für die individuelle Förderung haben. Senator Lange sieht das nicht so. Er bekräftigt erneut, dabei zu sein, die Grundschulen zu stärken.

Den IGLU-Ergebnissen soll im Herbst eine nationale Vergleichsstudie folgen, an der sich aber nur sieben Bundesländer beteiligten. Hamburg ist nicht dabei. Bildungssenator Lange nahm dies zum Anlass, den rot-grünen Vorgängersenat zu schelten. Es sei „bedauerlich“, dass dieser nicht für eine „wirklich repräsentative“ Beteiligung gesorgt habe. Der neue Senat werde deshalb im Juni 2003 die Untersuchung „KESS“ folgen lassen, die den Lernstand aller Viertklässler dokumentieren soll.

Diese Darstellung ärgert den GAL-Deputierten der Schulbehörde, Armin Oertel. Die frühere Schulsenatorin habe sich mit Grüner Unterstützung dazu aufgemacht, Hamburg zum „Testland schlechthin“ zu machen. Die KESS-Untersuchung sei eine Fortsetzung früherer Lernausgangsuntersuchungen (LAU) und noch vom alten Senat auf den Weg gebracht worden. Dass Lange nun dem alten Senat „Handlungsschwäche bei Testen“ unterstelle und für sich in Anspruch nehme, KESS in Auftrag gegeben zu haben, sei „kess“. KAIJA KUTTER