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Archiv-Artikel

Leere Hand und ganzes Herz

Anfang Mai wird die Karate-Europameisterschaft in Bremen ausgetragen. Ihr Maskottchen heißt „seitlicher Fußstoß“

taz ■ Die pazifistische Bremer Bevölkerung ahnt noch wenig. Aber am 9. Mai verwandelt sich die Hansestadt in einen Kampfschauplatz. 600 weiß gekleidete, buntgegürtete „Karateka“ treffen sich hier zur Europameisterschaft. 2.000 Bremer sollen dem Kampfsport frönen, so der Geschäftsführer des Bremer Karate Verbands, Horst Kaireit.

Davon kamen gestern aber nur drei Halbwüchsige und ein paar spontane Fans zur Autogrammstunde von Karate-Weltmeisterin Kora Knühmann (19) aus Duisburg. „Ich wollte mal sehen, was sie so drauf hat“, sagt Selale (10), die im Verein Karate praktiziert. „Kora ist mein Vorbild“, meint Jennifer (11).

Beide Mädchen werden bei der Eröffnungsfeier schwarze, rote oder gelbe T-Shirts tragen, um die deutsche Flagge darzustellen. Eine Europäerin als Weltbeste – das sei kein seltenes Phänomen, meint Kaireit: „Die Asiaten sind schon lange nicht mehr ganz oben.“

Die zierliche Blondine Knühmann betreibt den Sport, seit sie vier Jahre alt ist. Sie hat den schwarzen Gürtel und den ersten Dan. Der schwarze Gürtel gilt als Meistergrad, danach gibt es zur Steigerung nur noch mehrere Dan. Knühmann: „Ich bin halt mit ganzem Herzen dabei.“

Karate, Kung-Fu, Shaolin – für viele ist das dasselbe: Männer, die wild in der Luft herum fuchteln und furchtbare Laute ausstoßen. Aber die Kampfkunst aus Japan hat wenig gemein mit ihrem kriegerischen Klischée.

Manchmal kommen einem die Karateka sogar richtig zimperlich vor: Boxhandschuhe und Mundschutz, obwohl beim Wettkampf nicht mal kräftig zugehauen wird: Die Sportler müssen ihre Schläge vor dem Körper des Gegners abstoppen. Unterhalb der Gürtellinie ist sowieso alles tabu, als unfein gilt auch der Einsatz von Ellbogen und Knie, sagt Kaireit. „Kämpfen, nicht für den Sieg, sondern für die Vervollkommnung des Charakters“, so das Motto von „leere Hand“, wie Karate übersetzt heißt .

Deswegen kämpft es sich auch gern einmal allein: Im „Kata“ führt der Einzelne bestimmte Schrittfolgen aus. Die „Kür“ wird von Schiedsrichtern mit Punkten bewertet. „Kumite“ ist ein Zweikampf – Tritte in Richtung Kopf zählen da am meisten.

Bremen richtet die diesjährige Europameisterschaft aus, weil es sich als „ Stadt der kurzen Wege“ etabliert hat. Kaireit: „Flughafen, Hotel und Stadthalle liegen so schön nah beieinander.“ Das Maskottchen der Europameisterschaft 2003 ist ein zerzaustes Dreieck, möchte man meinen. Aber die Figur zeigt einen Karateka, der einen seitlichen Fußstoß ausführt. „Karatisch“ nennt man das „Yoko Geri“. Das Maskottchen heißt kürzer: Yoki.

Ya Ming Li