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Archiv-Artikel

Desaströse Selbstbespiegelung

Das Amt für Soziale Dienste sollte eine bürgernahe, dezentrale Vorzeigebehörde werden. Doch seine Mitarbeiter sind frustriert und fühlen sich überfordert. Auf einer Personalversammlung bekam Sozialsenatorin Karin Röpke den Ärger zu spüren

Beschäftigte klagen: „Gras wird nicht länger, wenn man dran zieht“

taz ■ Eigentlich sollte es mehr Bürgernähe bieten, weniger Bürokratie, flache Hierarchien, kurze Wege, kurzum: einen klasse Service für Hilfsbedürftige – das Amt für Soziale Dienste (AfSD). Vor über einem Jahr wurde das AfSD deshalb in zwölf über die Stadt verteilte Sozialzentren aufgeteilt, also dezentral organisiert. Jetzt protestieren seine Mitarbeiter wütend gegen „Sozialabbau und Stellenklau“, gegen den verfügten Einstellungsstopp, Überstunden und miese Stimmung. Das Amt steht zudem unter der Knute des Personalentwicklungsplans (PEP), nach dem es bis 2005 einhundert Stellen abbauen muss.

Auf einer Personalversammlung im Kinotempel Cinemaxx machten gestern mehrere hundert Mitarbeiter des AfSD ihrem Ärger Luft. „Leider wurden in der Organisationsentwicklung wesentliche Fehler gemacht“, wetterte Personalrat Burckhard Radtke. Das Amt sehe mittlerweile so aus „wie Bremen im Sommer: Viele Baustellen, doch auf keiner geht es voran.“ Eine interne Umfrage, mit der der Personalrat die „Funktionsfähigkeit des Amtes“ testen wollte, macht das Ausmaß der Frustration im AfSD überdeutlich. Die Ergebnisse der Fragebogenaktion, an der sich 330 Mitarbeiter beteiligt hatten, seien „ohne Einschränkung ein Desaster für das Amt“, so Personalrat Wolfgang Klamand. So beklagten 74 Prozent der Mitarbeiter in der ambulanten Hilfe, die Reorganisation des AfSD habe nicht zu mehr Bürgernähe geführt. Eine übergroße Mehrheit ist überdies der Ansicht, dass sich das Image des Amts verschlechtert oder nicht verbessert habe. Weitere Ergebnisse der Selbstbespiegelung: Die internen Organisationsabläufe sind noch zeitaufwändiger und bürokratischer geworden, neue Instrumente und Methoden erschweren die Arbeit eher, und die persönliche Arbeitszufriedenheit hat überwiegend abgenommen.

„Für ein Amt, das seine Mitarbeiter wiederholt als wichtigste Ressource bezeichnet, ist das ein Schlag ins Gesicht“, so Radtke. Es sei eine „dramatische Situation“ entstanden, „was die Leistungsfähigkeit dieses Amtes und die Motivation seiner Mitarbeiter betrifft“, klagt auch sein Kollege Arnd Möller. Die Amtsspitze lasse sich nur noch von ökonomischen Kritierien leiten und habe sich offenbar von sozialpolitischen Zielsetzungen verabschiedet. Ein Mitarbeiter der Wirtschaftlichen Hilfen in Findorff/Walle brachte die Kritik deftig auf den Punkt: „Unsere Hütte brennt, die Stimmung unter den Kollegen ist beschissen.“

Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD), deren Vorgängerin Hilde Adolf die AfSD-Reform angeschoben hatte, hatte auf der Personalversammlung keinen leichten Stand. „Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht“, hatte eine AfSD-Mitarbeiterin die Sorgen und die gefühlte Überforderung ihrer KollegInnen auf den Punkt gebracht. Röpke legte mit ihrem Versuch, diese Metaphorik aufzunehmen, eine satte Bauchlandung hin. „Wir setzen alles daran, mit dem Gras pfleglich umzugehen“, sagte sie unter dem Hohngelächter des Auditoriums, „wir werden nicht mit dem Rasenmäher drübergehen – und vielleicht wachsen dort auch mal schöne Wildblumen“. Was Röpke den besorgten Mitarbeitern der Sozialzentren sonst – in recht weinerlichem Tonfall – zu sagen hatte, ging kaum über die üblichen Politphrasen hinaus. Kostprobe: „Ich weiß, dass Sie auf einem langen und schwierigen Weg sind, der hohe Flexibilität und große Anstrengungen erfordert, und es gibt sehr viele Hürden auf diesem Weg.“ Die Entwicklung der Sozialzentren sei eben – man treffe sich ja schließlich im Kino – noch nicht am Happy-End angelangt, so die Senatorin. Erst auf Nachfrage war Röpke, die sich einen Mangel an Betroffenheit und Selbstkritik vorhalten lassen musste, bereit, sich zu der Umfrage des Personalrats zu äußern. Diese Ergebnisse würden ihr „natürlich schon zu denken“ geben, so Röpke, und der Einstellungsstopp sei ja auch „richtig ungerecht“. Andererseits sollten die Mitarbeiter sich doch bitte schön „nicht dauernd selber runterreden“. Und: „Das ist ein Prozess, den wir noch weiter entwickeln müssen.“

Er sei „erschrocken“ darüber, wie unterschiedlich die Wirklichkeit wahrgenommen werde – von den Mitarbeiter der Sozialzentren auf der einen und den politisch Verantwortlichen auf der anderen Seite, sagte Personalrat Klamand in Richtung Röpke. „Ich würde mir wünschen, dass Sie mal so auftreten würden wie andere Senatoren, und im öffentlichen Raum nicht dauernd alles schönreden.“ Es gehe der Personalversammlung im Übrigen nicht darum, Röpke Knüppel zwischen die Beine zu werfen. „Wir wollen doch nur, dass Sie mit gestärktem Rücken in die Verteilungskämpfe im Senat gehen können.“ Markus Jox