: Da hilft kein Rechnen mehr
Nachtragshaushalt des Landes droht noch vor der heutigen Verabschiedung Makulatur zu werden: PDS-Fraktionschef Liebich schließt Aufnahme weiterer Kredite wegen neuer Steuerausfälle nicht aus
von STEFAN ALBERTI
Es ist wie ein Wagen, der gerade erst aus der Werkstatt kommt – und gleich wieder liegen bleibt. Heute will das Abgeordnetenhaus den Haushalt 2003 nach wochenlangen Beratungen nachbessern: mit einem Nachtragshaushalt und neuen Krediten, die Steuerausfälle ausgleichen sollen. Schon jetzt aber könnte das Zahlenwerk bloße Rechenübung sein. PDS-Fraktionschef Stefan Liebich schließt nach der nächsten Steuerschätzung im Mai weitere neue Schulden in diesem Jahr nicht aus. Damit nicht genug: Die Finanzverwaltung rechnet damit, dass das Land von 2004 bis 2006 4 Milliarden Euro mehr als geplant an neuen Krediten braucht.
Fast 48 Milliarden Euro Schulden schleppt Berlin bereits jetzt mit sich, rund 14.000 Euro je Einwohner. Rund jeder fünfte Euro des 21 Milliarden schweren Landeshaushalts stammt aus Krediten, von denen die Hälfte gleich wieder für Zinszahlungen draufgeht. Für dieses Jahr waren im Haushaltsplan, beschlossen im Juni 2002, 3,6 Milliarden neue Schulden eingeplant. Im Entwurf des Nachtrags standen bereits rund 4 Milliarden: 471 Millionen weiterer Kredite sollten Ausfälle auffangen. Diese hatte die Steuerschätzung im November als Folge der allgemeinen Wirtschaftsmisere errechnet. Doch auch das war noch nicht das Ende: Im März kamen 250 Millionen hinzu, die den zuvor geplatzten Verkauf der Bankgesellschaft ausgleichen sollen. Ergebnis zur heutigen Abstimmung: 4,3 Milliarden Neuverschuldung.
„Das Land hat dazu keine Alternative“, verteidigt PDS-Finanzexperte Carl Wechselberg den Kurs der Koalition. Auch von der Opposition will er keinen anderen Ausweg gehört haben. In dem Rahmen sei nichts mehr zu machen gewesen, bestätigt CDU-Haushaltspolitiker Nicolas Zimmer – „dieser Haushalt war von vornherein verkorkst“.
„Bruchlandung“, urteilte Zimmer schon im Februar, als der Entwurf ins Parlament kam. „Spiegel der Unfähigkeit“ (FDP-Mann Martin Lindner) und „ohne klare Linie“ (Grüne) lauteten damals weitere Kommentare. Und sie alle bleiben auch nach sieben Sitzungen im Hauptausschuss bei ihrer Einschätzung. Für Grünen-Haushälter Oliver Schruoffeneger ist die Planung eher noch konfuser als zuvor. Einmütig wirft die Opposition Rot-Rot vor, Diskussionen unterdrückt zu haben. „Das kann ich nicht nachvollziehen“, meint PDS-Mann Wechselberg.
Rot-Rot hatte noch im erst vor 15 Monaten beschlossenen Koalitionsvertrag anvisiert, ab 2009 ohne neue Kredite auszukommen. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hatte mit dieser Vorstellung aufgeräumt: Seine Berechnungen ergaben trotz Sparkurs auch noch für 2009 deutlich über 2 Milliarden Euro Neuverschuldung. Aber selbst diese düsteren Planungen sind schon Vergangenheit. Nach einem Papier der Finanzverwaltung braucht das Land allein 2004 nicht 3 Milliarden Euro neuer Kredite, sondern fast doppelt so viel. „Diese Planung berücksichtigt bereits einschneidende Einsparungen“, heißt es.
Das Koalitionsklima trüben derzeit weniger diese Milliarden, sondern 120.000 Euro. Die will Rot-Rot beim Haus Natur und Umwelt in Wuhlheide streichen – das Aus für einen Öko-Lernort. Die CDU will das heute ändern und hofft auf Helfer aus der Koalition. Wolfgang Brauer (PDS) kündigte bereits Unterstützung an. Daniel Buchholz rechnete in seiner SPD-Fraktion vor, dass es sich bei den 120.000 Euro nur um ein Promille der jährlichen Opernausgaben handelt. Für den Grünen Schruoffeneger ist das alles nur noch eine Posse: „Wenn die in einem 21-Milliarden-Haushalt dafür nicht das Geld finden, ist das nicht zu verstehen.“