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Archiv-Artikel

CDU will auch am Valentinstag nicht knutschen

Die Union will ihren Exchef Diepgen morgen beim Parteitag zum Ehrenvorsitzenden machen. Daran gibt es Kritik. Inhaltlich geht es um ein umstrittenes neues Hauptstadt-Programm. Schon heute wählt die Partei Europa-Kandidaten

Samstag ist Valentinstag. Fest der Verliebten. Passend für einen Schmusekurs, den die CDU morgen plant: Programmatische Erneuerung des Landesverbands und Ehrenvorsitz für ihren Exchef Eberhard Diepgen. Die Realität passt nicht zum Datum: Beim Leitantrag zur Hauptstadtrolle gibt es einen Gegenentwurf, und die Diepgen-Ehrung wird zwar voraussichtlich nicht scheitern, stößt aber auf harte Kritik.

„Rückwärts gewandt“, hat PDS-Landeschef Stefan Liebich die geplante Auszeichnung kommentiert. Von einem sozialistischen Parteioberen war so etwas zu erwarten, nicht aber vom Vorsitzenden des CDU-Nachwuchses Junge Union (JU): Mit Diepgens Ehrung sei „jeder inhaltliche Neuanfang von vornherein zum Scheitern verurteilt“, tönte parteiintern JU-Landeschef Tim Peters per E-Mail. Die katastrophale Haushaltslage Berlins sei „politisch zum Großteil von Diepgen zu verantworten“, genauso wie die miserable Finanzlage der Landes-CDU.

Der Landesvorstand ließ sich davon zumindest im Ergebnis nicht beeindrucken: Einstimmig stimmte er nach CDU-Angaben der Ehrung zu. Unmut rief aber die Art und Weise hervor, wie Landeschef Joachim Zeller die Sache einleitete: Bei der letzten Vorstandssitzung vor dem Parteitag war Diepgen kein Thema, drei Tage später aber bat Zeller per Fax an seine Vorstandskollegen um ein Meinungsbild.

Die Ehrung köchelt seit zwei Jahren in der Berliner CDU. Unmittelbar nach Diepgens Rücktritt als Landeschef Mitte Februar 2002 hatte sich dafür der damalige Fraktionschef Frank Steffel stark gemacht. Im April 2003 äußerte sich der damalige Landeschef Christoph Stölzl in die gleiche Richtung. Seither war dazu wenig zu hören. Der Sprecher des Landesverbands, Matthias Wambach, bestritt Aussagen, wonach Diepgen Zeller mit einem „Jetzt oder nie“ zu einer Ehrung am Samstag gedrängt habe. Der bisher einzige Ehrenvorsitzende der Berliner CDU ist der 1987 gestorbene ehemalige Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Peter Lorenz.

Thematisch stößt ein Hauptstadt-Papier als zentraler Punkt des Parteitags auf Kritik. Das liegt unter anderem daran, dass es schon über ein Jahr alt ist. Eine Kommission unter Leitung von Stephan Tromp, inzwischen zum CDU-Kreischef von Mitte avanciert, hatte an eine Verfassungsänderung gedacht, Tromp schon im Januar 2003 von einer „Bundesstadt Berlin“ gesprochen. Eine Gruppe um die Abgeordneten Mario Czaja, Monika Grütters und Peter Kurth, aber auch Ex-Staatssekretär Volker Liepelt, hat ein Alternativpapier vorgelegt.

Heute Abend, am Vorabend des eigentlichen Parteitags, wählen die Christdemokraten ihre Kandidaten für die Europawahl am 13. Juni. Aussichtsreich ist allein Listenplatz 1, den aller Voraussicht nach der bisherige Europaabgeordnete und Ex-Generalsekretär Ingo Schmitt erhält.

Schmitt hat zwar in der Partei zahlreiche Gegner und in Marco Hardt, Kreisvorständler aus Mitte, einen Gegenkandidaten. Dessen Kandidatur gilt aber als zu wenig vorbereitet, um Schmitt zu gefährden. Fachlich gilt der trotz seiner 36 Jahre noch sehr jungenhaft wirkende PR-Manager und Politikwissenschaftler Hardt als durchaus qualifiziert, in den 90ern war er zudem Sprecher des Landesverbands und des CDU-Wirtschaftssenators Elmar Pieroth.

Da allein Platz eins einen Sitz im Europaparlament bedeutet, löst eine prominente Kandidatur für Platz zwei Spekulationen aus: Dort tritt Roland Gewalt an, der nach über elf Jahren als Landesparlamentarier erst im Herbst 2002 in den Bundestag wechselte und dort die CDU-Landesgruppe führt. Parteiintern wird folgendes Szenario kolportiert: Schmitt könnte 2006 für ein frei werdendes Bundestagsmandat antreten, Gewalt ins Europaparlament nachrücken und seinen Reinickendorfer Wahlkreis frei machen für seinen Kreischef – Frank Steffel. Der Ex-Fraktionschef habe keine Lust, als einfacher Abgeordneter im Landesparlament zu bleiben, heißt es immer wieder. Gewalt, schon 1999 Nr. 2, und CDU-Sprecher Wambach wiesen solche Überlegungen zurück: „Das ist Unsinn.“

STEFAN ALBERTI