daumenkino : Vielschichtig bleiben
„Elefantenherz“
Es hat mit der besonderen Migrationsgeschichte in Deutschland zu tun, dass Einwanderer mit einer sozialen Lage am unteren Ende der Gesellschaft identifiziert werden. Filme wie Fatih Akins „Kurz und schmerzlos“ oder Thomas Arslans „Geschwister“ strampelten sich erfolglos daran ab, nicht bloß als Migrantenkino verhandelt zu werden, weil sie den Orten gegenüber, an denen ein Großteil der Eingewanderten lebt, solidarisch zu sein versuchten.
Sie konnten dabei kaum anders, als dem Klischee zuzuarbeiten, Migranten stünden eigentlich immer mit einem Bein in der Kriminalität. Mit „Elefantenherz“ erweist Züli Aladag dieser sozialen Lage seine Referenz und macht doch einen entscheidenden Schritt zur Seite: Hier ist es der deutsche Junge Marko, den der Versuch, seinem trostlosen Dasein zu entkommen, in die Hände des lokalen Paten treibt. Die türkischen Bewohner der Duisburger Vorstadt geben hier ausnahmsweise das Allgemeine ab, vor dem sich die Entwicklung Markos als das Besondere abzeichnet.
Aladag war mutig genug, sich mit seinem Debüt auf das Terrain des Boxerfilms zu begeben, und er variiert dessen Motive – allen voran den Vaterkonflikt – so leichtfüßig, dass man sich in der Übersetzung eines Scorsese-Films wähnt. Die tolle Kamera von Judith Kaufmann, hervorragend choreografierte Kampfszenen, entsättigte Farben und ein elegischer Sountrack halten die Authentizitätsbehauptung des Films in der Schwebe.
Daniel Brühl als Marko spielt konzentriert und zurückhaltend, und auch die anderen Darsteller – Manfred Zapatka als lokaler Gangsterboss, Jochen Nickel als Markos Vater, Erhan Emre als bester Freund Bülent – agieren in „Elefantenherz“ nicht wie üblich im deutschen Film, als sei in jeder Szene eine einzige Position für sie auf dem Boden markiert. Das schafft Figuren, die sich ambivalent benehmen, vielschichtig bleiben und allesamt entwickeln dürfen. CHRISTIANE MÜLLER-LOBECK
„Elefantenherz“. Regie: Züli Aladag.Mit Daniel Brühl, Manfred Zapatkau. a. Deutschland 2001, 100 Min.