piwik no script img

Archiv-Artikel

Ein Ehemann zieht gleich

Der Franzose Raphael Poirée gewinnt bei der Biathlon-WM in Oberhof den Titel über 20 km. In der familieninternen Gold-Einzelwertung mit Gattin Liv Grete steht es damit 2:2 unentschieden

AUS OBERHOF MATTI LIESKE

Siege und Medaillen würden immer der ganzen Familie gehören, wird der Biathlet Raphael Poirée nicht müde zu betonen. Daher freue er sich über die Erfolge seiner Gattin Liv Grete genauso wie über seine eigenen. Auf der anderen Seite ist der 29-jährige Franzose nicht nur ein überaus charmanter Mensch, braver Ehemann und treu sorgender Familienvater, sondern auch ein äußerst ehrgeiziger Sportler, und so darf man getrost davon ausgehen, dass es doch ein wenig an ihm genagt hat, dass Liv Grete schon zwei Goldmedaillen bei dieser WM im Sack hatte, er jedoch nach dem Sprint-Triumph in der Verfolgung den Ruhpoldinger Ricco Groß hatte vorbeilassen müssen. Zweite Plätze, davon darf man ebenfalls ausgehen, zählen im Hause Poirée weniger als ein gelungenes Bäuerchen von Tochter Emma. Die ist knapp über ein Jahr alt, und die Biathlon-Welt fürchtet schon jetzt den Tag, an dem sie ordentlich Ski laufen lernt. Schießen kann sie vermutlich schon.

In Norwegen genießt das laufstarke und schussgewaltige Pärchen schon längst eine Popularität, wie sie sonst höchstens dem königlichen Gespann Haakon und Mette-Marit vergönnt ist. Die Gazetten sind voll von den Heldentaten der Norwegerin Liv Grete, die vor ihrer Heirat schon unter dem Namen Skjelbreid Erfolge sammelte, und des Ehren-Norwegers Raphael. Bei der WM in Oberhof sind die Poirées nun drauf und dran, auch im internationalen Maßstab alle großzügig über sie ausgeschütteten Vorschusslorbeeren zu rechtfertigen. Mit seinem zweiten Gold gestern im Einzelrennen über 20 km schwang sich Raphael Poirée zum unumschränkten König dieser WM auf, und natürlich sind beide auch bei den Massenstart-Rennen am Wochenende die heißen Favoriten.

Der Aufschwung, den das Biathlon vor allem seit den Olympischen Spielen 2002 und vor allem in deutschen Landen auch kommerziell genommen hat, beschert dem fröhlichen Paar ein prächtiges Auskommen. Nachdem Liv Grete Poirée letzte Saison mutterschaftsbedingt nicht startete, kann sie es sich dieses Jahr sogar leisten, auf den sicheren Sieg im Gesamt-Weltcup zu verzichten. Die Rennen Ende Februar/Anfang März in den USA möchte sie auslassen, weil sie der kleinen Tochter weder die Reise zumuten noch sie allein lassen wolle. Ein Vorhaben, das Gespons Raphael gestern allerdings umgehend dementierte.

Anstelle der Biathlon-Wettkämpfe in Übersee liebäugelt Liv Grete Poirée mit der Teilnahme beim Langlauf-Weltcup in Lahti – eine Art des sportlichen Fremdgehens, die auch ihr Landsmann Ole Einar Björndalen gern mal in Angriff nimmt. Der Norweger war gestern ein wenig unglücklich, da er ein seiner Meinung nach gutes Rennen absolviert hatte, „aber unglücklicherweise zwei andere schneller waren“. Neben dem Sieger Poirée überraschenderweise auch der Pole Tomasz Sikora. Beide hatten nur einmal fehlgeschossen, während Björndalen zwei daneben setzte. „Bei Olympia hatte ich auch 18 Treffer und habe gewonnen“, sagte der 30-Jährige, „das reicht heute nicht mehr. Da musst du null oder eins schießen.“

Was blieb, war Bronze – besonders ärgerlich für jemanden, der dafür bekannt ist, gerade bei den wichtigsten Wettkämpfen topfit zu sein. „Die WM ist, was zählt“, sagte er gestern leicht enttäuscht. In Salt Lake City war Björndalen mit vier Goldmedaillen noch der absolute Dominator gewesen, eine Rolle, die ihm inzwischen der Kollege Poirée abgenommen hat.

Der Franzose freute sich schon bei seiner Zieldurchquerung wie ein Schneekönig, nach fast perfektem Rennen war er sicher, dass ihn niemand mehr einholen würde. Ein bisschen verfrüht, der Jubel, schien es für eine Weile, als Sikora mit der hohen Startnummer 67 eine glänzende Leistung vor allem am Schießstand bot. Zu Gold reichte es jedoch auch für den Polen nicht mehr, Leidtragender seines Sturmlaufs war neben Björndalen vor allem Ricco Groß, der auf Rang vier abrutschte. „Kann mich gar nicht erinnern, wann ich zuletzt zwei Fehler in einem Schießen hatte“, murrte der 33-Jährige unwirsch, bevor er einräumte: „Dafür, dass ich mir vorher fast den Arm gebrochen habe, war es ganz gut.“ Bei der Gewehrkontrolle war er eine Treppe hinuntergefallen. „Zum Glück ohne Gewehr“, wie er hinzufügte.