: Wind in der Flaute
Der Dauerboom bei Windkraftanlagen ist vorbei: Die windstarken Standorte werden knapp. Trend geht ins Binnenland und in die Höhe
aus Hannover JÜRGEN VOGES
Erstmals seit 1996 ist im ersten Quartal dieses Jahres in Deutschland die Zahl der neu gebauten Windräder gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen – und das gleich um mehr als ein Fünftel. Nach Angaben des Bundesverbandes Windenergie und des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) wurden von Januar bis März Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 357 Megawatt gebaut. Das sind rund 100 Megawatt weniger als in den ersten drei Monaten 2002.
Trotz ihrer beruflichen Verpflichtung zum Optimismus erklärten Vertreter beider Verbände auf der Hannover Messe, dass sich dieser Trend auch für das gesamte Jahr fortschreiben lasse. Demnach wird die Gesamtleistung der in diesem Jahr neu gebauten Windkraftanlagen „unter 3.000 Megawatt liegen“, 2002 waren es noch 3.250 MW. Der Zusammenschluss der Windkraftanlagenhersteller, der Fachverband Power Systems im VDMA, fürchtet bereits um die 40.000 Arbeitsplätze der Branche. Man habe „zum ersten Mal eine Konsoldierungsphase“, sagte der Geschäftsführer des Fachverbandes, Thorsten Herdan. Um die Stellen langfristig zu sichern, müsse die seit Jahren unter 20 Prozent liegende Exportquote „in fünf Jahren bei 60 bis 70 Prozent ankommen“.
Der Boom beim Neubau von Windrädern stößt an seine Grenzen, weil Standorte mit ordentlich Wind langsam knapp werden. Seit 1989, als der Siegeszug der Windenergie mit 9 Megawatt neu installierter Leistung anfing, sind in Deutschland Jahr für Jahr höhere Windstrom-Kapazitäten ans Netz gegangen. Lediglich 1996 gab es eine kleine Delle, als die Einspeisevergütung für Windstrom in Frage stand. Nach Angaben der Verbände sinkt die durchschnittliche Windausbeute an neu erschlossenen Standorten kontinuierlich um etwa zwei Prozent pro Jahr.
Der Präsident des Bundesverbandes WindEnergie, Peter Ahmels, macht zwar vor allem „Verzögerungen in den Genehmigungsverfahren“ für die aktuell rückläufigen Neubauzahlen verantwortlich. Aber auch diese hängen wiederum mit den knapperen Standorten zusammen: Schlechtere Binnenlandplätze könne man nur erschließen, wenn man die Nachteile durch Innovationen ausgleiche, sagte Ahmels. Deswegen sind viele Windkraftanlagen mehr als 100 Meter hoch und müssen zeitaufwändig auf Gefahren für den Luftverkehr geprüft werden. Auch Banken, die Kredite für den Windradbau geben sollen, schauen laut Ahmels „insgesamt genauer hin“. Der Wind am geplanten Aufstellort müsse oftmals ein Jahr lang gemessen und begutachtet werden.
Nach den Worten von Ahmels sind „die klassischen Küstenstandorte besetzt“. Allerdings seien auch in den anderen Gebieten „durchaus noch gute Standorte dabei“. Der Trend ins Binnenland spiegelt sich auch in der Statistik wieder. Beim Neubau lag im ersten Quartal 2003 erstmals das küstenferne Brandenburg im Ländervergleich auf dem ersten Platz. Aus dem Bau von Offshore-Anlagen erwartet die Branche in den kommenden fünf Jahren noch keine relevanten Aufträge.