: Polen fürchten die Preußische Treuhand
Eigentumsklagen von deutschen Vertriebenen werden mit Reparationsforderungen an Deutschland gekontert
WARSCHAU taz ■ Die in Polen steigende Angst vor dem EU-Beitritt im Mai hat viel mit den Deutschen zu tun. Forderungen von Vertriebenenorganisationen, Polen nach dem Beitritt zur EU mit Klagen auf Eigentumsrückgabe zu überziehen, haben Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg geweckt. Ein Spiegel dieser Ängste sind die Medienberichte.
Seit Monaten erinnern polnische Zeitungen, das Fernsehen wie auch der Rundfunk an die Verbrechen der Nazis in Polen, die Zerstörung der Bibliotheken und Kunstsammlungen, die Sprengung der Hauptstadt Warschau durch SS und Wehrmachtsoldaten, die Ghettos und KZs in ganz Polen.
Das in Berlin geplante „Zentrum gegen Vertreibungen“ sowie die angekündigten Eigentums-Klagen der „Preußischen Treuhand“ lösten zunächst nur Empörung aus. Doch nun stehen Reparationsforderungen für die Kriegszerstörungen wieder auf der Tagesordnung. In etlichen Städten werden lange Listen mit Kriegsverlusten aufgestellt. Das Land bereitet sich auf den EU-Beitritt und die befürchtete Klagewelle der Vertriebenen vor. Zur Verteidigung will Polen die deutschen Gerichte mit einer Welle von Kriegsopferklagen überziehen.
Gegründet wurde die „Preußische Treuhand“, die sich ausdrücklich am Vorbild der Jewish Claims Conference orientiert, vor vier Jahren. Anders als das „Zentrum gegen Vertreibungen“, das als „gemeinnützige Stiftung der deutschen Heimatvertriebenen im Bund der Vertriebenen, BdV“ entstand, strebte die Preußische Treuhand von Anbeginn eine wirtschaftliche Tätigkeit an. Ziel ist die „Sicherung des Anspruchs bzw. Rückgabe des im Osten von den Vertreiberstaaten völkerrechtswidrig konfiszierten Eigentums“, wie es auf der Website der Firma heißt. Um dieses Ziel noch besser erreichen zu können, wurde die GmbH im September 2001 in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien umgewandelt.
Mitglieder der „Preußischen Treuhand GmbH & Co. KG a. A,“, wie die Firma nun offiziell heißt, sind die Landsmannschaften Schlesien, Ostpreußen und Pommern. Mit dem Vorsitzenden Rudi Pawelka, der zugleich der Schlesischen Landsmannschaft vorsteht, und seinem Stellvertreter Hans Günther Parplies, dem Vizepräsidenten des Bundes der Vertriebenen, haben zwei in der Öffentlichkeit bekannte Vertriebenenfunktionäre die Leitung der Gesellschaft übernommen.
Sorge bereitet den Polen nicht nur, dass die Preußische Treuhand „Ansprüche auf Grundeigentum und andere Vermögenswerte in den preußischen Provinzen jenseits von Oder und Neiße“ sichern will, sondern dass sie dort auch Grundeigentum und andere Vermögenswerte kaufen will. Für Polen kommt dies einer offenen Drohung gleich. Denn es ist eine Sache, wenn Deutsche Grundeigentum in Polen erwerben, um dort eine Fabrik zu bauen oder auch nur ein Haus mit Garten, und eine völlig andere, wenn deutsche Vertriebene nicht in Polen, sondern „in den preußischen Provinzen jenseits von Oder und Neiße“ Land aufkaufen. Das schürt Angst. „Die Preußen kommen, Polen ist in Gefahr“, heißt es nun vielerorts. Da die Aktiengesellschaft mit dem auf für Deutsche merkwürdig klingenden Namen „Preußische Treuhand“ offiziell in das Bonner Handelsregister eingetragen wurde, befürchten viele Polen, dass der deutsche Rückkauf der „preußischen Provinzen jenseits von Oder und Neiße“ auch von der offiziellen Politik in der Bundesrepublik gedeckt wird.
Das neueste Umfrageergebnis des Meinungsforschungsinstituts CBOS in Polen verwundet angesichts dieser Ängste in Polen kaum. „Welche EU-Staaten sind Polen gegenüber derzeit am negativsten eingestellt?“ lautete die Frage. Die Antwort war eindeutig. „Deutschland“, sagten 57 Prozent der befragten Polen.
GABRIELE LESSER