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Archiv-Artikel

Im Keller lagert ein Bücherschatz

Eine Bibliothek in Chorweiler verleiht nur russische Bücher. Die Nachfrage ist groß, nicht nur weil jeder vierte Bewohner des Stadtteils aus der Ex-Sowjetunion kommt

Karg und fensterlos ist der Kellerraum im Paul-Löb-Weg 26. Doch für Liebhaber russischsprachiger Literatur ist die Adresse in Chorweiler seit Donnerstag eine heiße Adresse: Die „Freunde des russischen Buches NRW e.V.“ eröffneten hier ihre Bibliothek. Zwei Mal wöchentlich stehen 6.500 Bücher zur Ausleihe: russische und internationale Literatur, Triviales, Sachbücher.

Vor acht Jahren legte das ukrainische Ehepaar Tatiana und Valeri Zolotarevski, heute Vereinsvorsitzende, den Grundstock. Die Betriebswirtin und der Ingenieur sammelten zunächst Bücher aus Privatbeständen. Als die russische Buchhandlung „Soglasie“ am Buttermarkt schloss, sicherten sie sich den Restbestand. Von den Beiträgen der rund 350 Bibliotheksnutzer – 10 Euro im Jahr – werden neue Bücher gekauft.

Zuerst residierte man in einem Ehrenfelder Hinterzimmer. Schließlich fand man Asyl im Chorweiler Kinderzentrum der „Parea“, eine von der Sahle Wohnen GbR gegründete gemeinnützige Gesellschaft, die soziale Projekte in den Hochhaus- und Großraumsiedlungen des Wohnungsbauunternehmens fördert. Einmal wöchentlich wurden etwa 1.000 Bücher aus einem Kleiderschrank geholt und für drei Stunden auf Tischen ausgebreitet. Die Parea vermittelte schließlich den leer stehenden Keller für eine symbolische Monatsmiete von 10 Euro. Spenden der Sahle GbR, der Bezirksvertretung, von russischen Geschäftsleute und der Deutschen Welle ermöglichten Umbau und Ausstattung.

Die Nachfrage ist groß. Über ein Viertel der Chorweiler, schätzt Parea-Geschäftsführer Horst Radtke, stammt aus der ehemaligen UdSSR. „Die Leute reisen aber auch aus der weiteren Umgebung Kölns an“ erklärt Diana Siebert, Beisitzerin im Vereinsvorstand, Osteuropahistorikerin und Geschäftsführerin der Kölner Grünen. Denn die meisten Aussiedler können es sich nicht leisten, Bücher zu kaufen. Und für ältere Menschen, die sonst ihre Wohnung nicht verlassen, ist die Bibliothek ein wichtiger Treffpunkt.

Für die Unterstützung des Projekts musste Radtke sich die Kritik gefallen lassen, er wirke der Integration der Russisch sprechenden Bevölkerung entgegen, die lieber deutsche Bücher lesen solle. „Diese Leute habe ich dann gefragt, ob sie glauben, sie könnten nach drei Jahren in Russland Dostojewski im Original lesen“, sagt Radtke. Ein wichtiges Anliegen der Bibliothek sei zudem die Beseitigung der „Halbsprachigkeit“, viele Jugendliche sprächen weder richtig Deutsch noch richtig Russisch. „Wer seine Muttersprache nicht beherrscht, kann auch keine zweite Sprache lernen“, so Siebert. CHRISTINE SCHILHA

Öffnungszeiten (ab März): Mi 16-19 Uhr, Sa 15-18 Uhr.