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Archiv-Artikel

Roma-Wunsch geht in Erfüllung

Das neue „Schaworalle-Zentrum“ soll Roma-Kinder auf den Besuch von Regelschulen vorbereiten. In anderem Modellprojekt will die Stadt Köln Problemkinder per „Vertrag“ zur Integration zwingen

Von Susanne Gannott

Eine gute Nachricht für die Kölner Roma-Eltern und ihre Kinder: Sie sollen nahe der Innenstadt ein eigenes Zentrum bekommen mit Kindertagesstätte, Schulklasse und Freizeitangeboten. Das beschlossen CDU und Grüne vorgestern am Rande der Ratssitzung. Das Projekt nennt sich „Schaworalle“, was auf Romanes „Hallo Kinder“ bedeutet. Vorbild ist eine gleichnamige Einrichtung in Frankfurt/Main, wo Roma-Kinder und -jugendliche seit 1999 in verschiedenen Altersklassen pädagogisch betreut werden.

„Unser Ziel ist die Vorbereitung der Kinder auf das normale gesellschaftliche Bildungssystem“, sagte der migrationspolitische Experte der Kölner Grünen, Ossi Helling, der taz. Damit wolle man vor allem solche Kinder fördern, die von den vorhandenen Bildungsangeboten in einzelnen Wohnheimen nicht erreicht werden. Dennoch sollten nicht nur „Problemkinder“ bei Schaworalle unterkommen: Wichtig findet Helling eine möglichst ausgewogene soziale Mischung der Gruppen, „damit die Kinder auch voneinander lernen“.

Es kann sofort losgehen

Überhaupt ist Schaworalle eines der Lieblingsprojekte der Kölner Grünen, mit dem sie gerne einen eigenen Akzent in der kommunalen Flüchtlingspolitik setzen wollen, die ansonsten eher von den ordnungspolitischen, auf Repression fokussierten Vorstellungen des großen Koalitionspartners CDU geprägt ist. So konnten die Grünen bislang nur erreichen, der Kölner Verwaltung einen „Prüfauftrag“ zu geben, die Möglichkeiten einer Schaworalle-Einrichtung zu untersuchen. Jetzt aber ist Bewegung in die Sache gekommen: CDU und Grüne wollen schon in der nächsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 16. März die Verwaltung beauftragen, einen geeigneten Träger für das Zentrum zu suchen. Auch der Ort steht schon fest: Schaworalle soll in das ehemalige Jugendzentrum „Sharifeh Center“ im Venloerwall 17-19 ziehen. „Mit einer ersten Kindergarten- und Schulklasse als Basis könnten wir im Prinzip sofort starten“, meint Helling.

Dass ein Projekt dieser Art in Köln tatsächlich Wirklichkeit werden soll, kann Kurt Holl vom Kölner Rom e.V. kaum fassen. Schon seit Jahren fordert der Verein ein solches Zentrum. Holl betont aber auch, dass Schaworalle mehr sei als eine „Betreuungseinrichtung“ für Roma-Kinder. Wichtig am Schaworalle-Konzept sei, dass die Roma das Zentrum als ihr eigenes Projekt ansehen können, weil es ein Ort sei, wo ihre kulturelle Identität akzeptiert wird und wo sie „sich selber selbstbewusst darstellen“ und ihre Ideen einbringen könnten. Schaworalle müsse daher wie in Frankfurt von Roma-Mitarbeitern zusammen mit Deutschen geführt werden und auch die jugendlichen und erwachsenen Roma einbinden – mit Familienberatung, Berufsvorbereitungskursen, der Vermittlung von Praktika und einem breiten Kulturangebot.

Dezentrales Modellprojekt

Auch die Stadt Köln will in Schaworalle Muttersprachler beschäftigen und die Erwachsenen „in den Betrieb der Einrichtung“ einbetten, wie die Verwaltung in ihrem neuen „Stufenkonzept zur Verhinderung von Straftaten“ von Flüchtlingskindern schreibt. Daneben will sie aber auch die dezentralen Hilfsangebote in den Wohnheimen weiter ausbauen. Zusätzlich wird außerdem schon bald ein weiteres „Modellprojekt“ in ein bis zwei Stadtbezirken getestet, wie Klaus-Peter Völlmecke, Abteilungsleiter der pädagogischen Dienste im Jugendamt, der taz sagte. Dabei soll der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) mit den Eltern von bereits straffällig gewordenen Kindern einen „Vertrag“ abschließen, in dem sie sich verpflichten, ihre Kinder in eine Betreuungseinrichtung zu schicken. „Klappt das nicht, sehen wir uns vor dem Familiengericht wieder“, beschreibt Völlmecke die andere Seite des Vertrags, der sogar mit Sorgerechtsentzug und Heimunterbringung enden könne.

Prinzipiell könnte sich auch Kurt Holl mit solchen Verträgen anfreunden. Allerdings nur, wenn die Stadt umgekehrt den Romafamilien, die sich entsprechend verhalten, eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis gebe und sie in eigene Wohnungen ziehen lasse. „Sonst denken die Roma doch völlig zurecht, das bringt es alles nicht.“