: Komponierte Erneuerung
Die Reformen an der FHTW wurden zum „Gesamtkunstwerk“ gekürt. Die größte FachhochschuleBerlins macht vieles vor, hat sich aber auch zum jetzigen Zeitpunkt noch lange nicht zu Ende verändert
von VERENA MÖRATH
Bei der Debatte um den Umbau der Berliner Hochschullandschaft stehen vor allem die großen Universitäten im Rampenlicht. Das exklusive Prädikat, den eigenen Reformprozess „zu einem Gesamtkunstwerk verknüpft“ zu haben, erhielt ein im akademischen Hauptstadtrummel eher unscheinbares Elfenbeintürmchen: die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW). Lorbeeren sind bekanntermaßen nichts zum Draufausruhen – und auch bei der FHTW ist noch lange nicht alles in trockenen Tüchern.
Vor zwei Jahren zeichnete das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) die FHTW Berlin, die aus verschiedenen Vorgängerinstitutionen im Ostteil der Stadt hervorgegangen ist, für ihr innovatives Hochschulmanagement und ihre Reformfreudigkeit mit dem „Best practice“-Preis aus. Die Gutachter hoben den ganzheitlichen Reformprozess hervor, der in allen Bereichen der Hochschule eingeleitet und vorbildlich aufeinander abgestimmt worden sei.
Kriterien für die Auszeichnung waren unter anderem die erfolgreichen Autonomiebestrebungen der FHTW, die Konzepte zur Qualitätssicherung von Studium und Lehre sowie ein flexibles Studienangebot, das ein selbstbestimmteres Studieren ermöglichen soll. Ein weiterer Pluspunkt waren die Bemühungen, das Studienangebot systematisch zu internationalisieren – mit den Abschlüssen Bachelor und Master sowie postgradualen Masterstudienangeboten, samt Auslandssemester und -praktika sowie englischsprachigen Lehrveranstaltungen.
Intern gibt man jedoch zu, dass es bei vielen Reformpunkten noch hapert. Zum Beispiel mit der Flexibilisierung und Modularisierung der Studienfächer. „Wir sind alle gleich weit zurück in dieser Frage“, bescheinigt Prof. Dr. Herbert Grüner, erst seit einem halben Jahr im Amt als Präsident der FHTW Berlin, nicht nur seiner, sondern allen Berliner Hochschulen.
Längst nicht für alle Studenten sind die Auswirkungen der wohlklingenden Reformen auch im Studienalltag konkret spürbar. Vielmehr ist hier so mancher zu Semesteranfang wie in vielen anderen Hochschulen damit beschäftigt, die Seminare zu ergattern, die für sein Fortkommen wichtig sind. Die Nachfrage ist aufgrund mangelnder Kapazitäten höher als das Angebot. „Stets ein Hauen und Stechen gibt es bei den Fremdsprachenkursen“, berichtet Daniela Spang, Studentin der Betriebswirtschaftslehre im 7. Semester. Präsident Herbert Grüner merkt an, dass „die FHTW weiterhin ein Zuschussbetrieb ist und wie alle Berliner Bildungseinrichtungen von massiven Kürzungen betroffen ist“. Reformen hin oder her.
Dennoch: Die Studenten schätzen die praxisbezogene Lehre und die vielfältigen Möglichkeiten, die die FHTW ihnen bietet, um einen schnellen Einstieg in das Berufsleben zu meistern. Die Dozenten und Professoren kommen aus der freien Wirtschaft, vermitteln Kontakte und sind realistische Berater für die Zukunft im Job. „Der erste Schubs ins kalte Wasser wäre ohne die familiäre Rückendeckung der FHTW wahrscheinlich ein größerer Schock“, glaubt Daniela Spang. Unternehmerneulinge finden bei dem 1997 eröffneten hochschuleigenen „Existenzgründerzentrum Technische Dienstleistungen“ auf dem Campus Karlshorst professionelle Unterstützung. Es ist bundesweit einzigartig und bietet auf 2000 Quadratmetern rund 40 Jungunternehmen mit derzeit etwa 120 Beschäftigten Beratung und Coaching, Kontakte zur Wirtschaft, Beteiligung an Forschungsarbeiten der FHTW, günstige Mieten und Nutzungsmöglichkeiten der technischen Infrastruktur sowie des Weiterbildungsangebotes der Hochschule. Dieses Zentrum verhalf der FHTW unter anderem auch zu ihrer zweiten Auszeichnung: Sie darf sich als „ReformFachhochschule“ bezeichnen, entschied der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Mit dem Preisgeld wird der Ausbau des „Kompetenzzentrum Existenzgründung und selbständiges Unternehmertum“ finanziert. Es soll in der Berliner Region die Kooperation zwischen Hochschule und Wirtschaft fördern.
Präsident Herbert Grüner wünscht sich für die Zukunft weiterhin „einen dynamischen Veränderungsprozess, bei dem die Lehre vor allem praxisorientiert bleibt, ohne dass die Wissenschaftlichkeit dabei vernachlässigt wird“. Berührungsängste mit den Berliner Universitäten kennt Grüner nicht. Er begrüßt es vielmehr, „dass die Berliner Universitäten im Wettbewerb um die Pfründen beginnen, ihren Praxisbezug zu verstärken, sich sozusagen fachhochschulisieren“. Die FHTW ihrerseits arbeite verstärkt daran, Promotionen und somit auch wissenschaftliche Karrieren zu fördern.
Dringendste Frage neben Strukturreformen und Finanzen ist derzeit für die FHTW, wie sich die leidige Standortfrage löst. Der Campus Marktstraße in Lichtenberg soll ersatzlos gestrichen und hunderte von Studenten müssen zu Semesteranfang umgesiedelt werden. Mittelfristig, ab 2005 bis 2010, soll die FHTW in Oberschöneweide ein neues Zuhause bekommen. Dann konzentriert sich die Hochschule nur noch auf drei statt auf fünf Standorte. Ein zentraler Campus jedoch wird wohl ein ewiger Traum bleiben.