: Wer nimmt, muss bestimmen
Die Entwicklungsländer sind von den Entscheidungen der Weltbank und des IWF direkt betroffen – mitwirken können sie an ihnen kaum. Doch Reformen sind nicht in Sicht
Der Ruf der Internationalen Finanzinstitutionen, von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF), ist auf einem Tiefstand angelangt. Während die Schwächen ihrer wirtschaftspolitischen Konzepte immer deutlicher werden, treten gleichzeitig die undemokratischen Regierungsstrukturen als Ursachen der Schwerfälligkeit und Ideologietreue der beiden Institutionen hervor. Auf der Frühjahrstagung an diesem Wochenende in Washington soll erstmals über Reformen der Führungsstrukturen von IWF und Weltbank diskutiert werden.
Letzten Herbst waren Währungsfonds und Weltbank von den Mitgliedsländern aufgefordert worden, ein Hintergrundpapier vorzulegen, das Reformmöglichkeiten des Führungsapparats aufzeigen und dabei besonders Möglichkeiten für mehr Partizipation der schwächeren Mitgliedsländer darlegen sollte. Dieses Hintergrundpapier wurde bereits im Februar von dem Exekutivdirektorium der Weltbank diskutiert, und das Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) in Berlin hat sowohl eine grundsätzliche Stellungnahme wie auch eine Reaktion auf den Vorschlag von Weltbank und IWF ausgearbeitet.
Wie nicht anders zu erwarten, greifen die Ideen von Weltbank und IWF zu kurz und beinhalten keine richtungsweisenden Reformvorschläge. Die Überrepräsentanz der Industrieländer in den Entscheidungsgremien wird genauso wenig angesprochen wie die Möglichkeit, die Stimmverteilung nach dem Prinzip „One country – one vote“ zu reformieren. Noch immer halten die Institutionen an dem Prinzip „One dollar – one vote“ fest. Die Forderung, dass alle Mitgliedsländer in der Lage sein sollten, einen Kandidaten für das Amt des Präsidenten zu stellen, wird nicht einmal erwähnt.
Die Weltbank und der IWF werden weit gehend als Institutionen wahrgenommen, die von den Industrieländern kontrolliert werden. Diese Einschätzung beruht nicht auf verschwörungstheroretischen Ängsten, sondern findet ihre reale Entsprechung in der Stimmverteilung in den Entscheidungsgremien der Organisationen. Die USA verfügen in beiden Institutionen über 16 Prozent der Stimmen und haben somit eine Sperrminorität, da wichtige Entscheidungen mit einer Mehrheit von 85 Prozent getroffen werden müssen. Die USA, Japan, Frankreich, Großbritannien, Saudi-Arabien, Deutschland und Russland verfügen in den Entscheidungsgremien beider Institutionen über fast die Hälfte der Stimmrechte. Demgegenüber besitzen 80 der ärmsten Mitgliedsländer nur 10 Prozent der Stimmrechte.
Die Politik der Institutionen kann aber nur effektiv sein, wenn diejenigen, die von ihr betroffen sind, mindestens genauso viel Mitspracherecht haben wie die Länder, die keine Finanzhilfen von den Institutionen in Anspruch nehmen. Entwicklungs- und Krisenfinanzierung der Internationalen Finanzinstitutionen werden nur dann positive Resultate erzielen, wenn die Länder, die sie in Anspruch nehmen, sie formulieren. IWF und Weltbank vergeben keine Kredite an die Industrieländer. Auch sonst werden diese von der Politik der beiden Institutionen in keiner Weise beeinflusst. Daher haben sie weniger Möglichkeiten, eine effiziente und wirksame Entwicklungs- und Krisenfinanzierung zu entwickeln als solche Länder, die Erfahrungen mit diesen Entwicklungen haben.
Weltbank und IWF sprechen sich in ihrem Grundsatzpapier gegen eine Reform der Stimmrechte aus. Das BMZ hingegen befürwortet in einigen Bereichen Stimmrechtsreformen. Gleichzeitig warnt es jedoch davor, dass Veränderungen, die mehr Mitsprache der Entwicklungsländer mit sich bringen würden, unter Umständen den guten Ruf der Weltbank auf internationalen Finanzmärkten verschlechtern und so Weltbankkredite generell verteuern könnte. Dieses Argument ist jedoch schwer nachvollziehbar, hat doch zum Beispiel die Asiatische Entwicklungsbank, die zweitgrößte Entwicklungsbank der Welt, auf den internationalen Finanzmärkten einen genauso guten Ruf wie die Weltbank, obwohl in ihren Entscheidungsgremien Entwicklungsländer in gleichem Maße vertreten sind wie Industrieländer.
Der Grundton der BMZ-Stellungnahme ist sehr vorsichtig, man spricht sich zwar vereinzelt für Reförmchen aus, weist jedoch hinter jedem Vorschlag auf die Gefahren hin, die mit einer vermehrten Partizipation der Entwicklungsländer einhergehen könnten. Dabei bezieht sich das Ministerium vor allem auf das Risiko der geringeren Effizienz und des schlechteren internationalen Standings der Institution.
Die Reaktion des deutschen Exekutivdirektors der Weltbank auf den IWF/Weltbank-Vorschlag, der Region Subsahara-Afrika einen weiteren Sitz im Exekutivdirektorium zu geben, fiel folglich auch negativ aus. Es wird angemahnt, man würde die Effizienz des Gremiums schwächen und die technische und wissenschaftliche Unterstützung der Vertreter von Entwicklungsländern wäre einem solchen Schritt vorzuziehen. Diese Form der Stärkung der Entwicklungs- und Schwellenländer wird auch von der Weltbank und dem IWF in die Diskussion gebracht.
Angesichts der deutschen Reaktion auf den Vorschlag der Erweiterung des Exekutivdirektoriums ist es wahrscheinlich, dass nun wieder keine Governance-Reformen beschlossen werden und man sich stattdessen darauf einigen wird, vereinzelt mehr Ressourcen für die Vertreter der Entwicklungsländer in den Entscheidungsgremien bereitzustellen. Diese Schritte sind jedoch zu marginal und unbedeutend, um dem akuten Problem der Überrepräsentanz der Industrieländer zu begegnen.
Eine tatsächliche Demokratisierung der Führungsstrukturen von Weltbank und IWF wäre nur gegeben, wenn die Stimmverteilung nach dem Prinzip „One country – one vote“ reformiert würde. Ein weiterer Schritt wäre die proportionale Verteilung der Sitze in den Entscheidungsgremien. Da nur 20 Prozent der Mitgliedsstaaten des IWF und der Weltbank Länder mit hohem Einkommen sind, sollten sie nur ein Fünftel und nicht wie bisher die Hälfte der Vertreter stellen. Sowohl gesellschaftliche wie auch parlamentarische Kontrollmöglichkeiten könnten durch die Veröffentlichung der Protokolle der Sitzungen der Exekutivdirektoren erhöht werden.
Neben diesen Reformen ist jedoch vor allem auch die Wahl der Präsidenten der Institutionen veränderungsbedürftig. Während bisher der Präsident der Weltbank traditionell von den USA und der des IWF von den Europäern gestellt wird, sollten in Zukunft alle Mitgliedsstaaten die Möglichkeit haben, einen Kandidaten für das Amt des Präsidenten aufzustellen. Wenn die Repräsentation der Entwicklungs- und Schwellenländer in den Entscheidungsgremien der Finanzinstitutionen nicht erhöht wird, werden IWF und Weltbank ihre Legitimation ausgerechnet in den Staaten verlieren, in denen sie bislang ihre Wirkungsmacht entfalten.
ANN-KATHRIN SCHNEIDER