: Pop im Block
Ideologiekritik genügt nicht: Im Rahmen der Lesershow gab es ein Symposium zur Frage: „Generation Pop“
In Berlin kann es gar nicht genug Lesungen geben, und deswegen ist es auch sehr löblich, dass die Neue Gesellschaft für Literatur schon zum vierten Mal die so genannte Lesershow veranstaltet: 23 Autoren, viele davon taznah, an jedem der drei Abenden ist der Rote Salon voller als voll. Interessantester Programmpunkt in diesem Rahmen: Ein zweitägiges Symposium zur jungen deutschsprachigen Literatur mit dem Titel. „Generation Pop?“ Oh nein, doch nicht noch immer Pop, wird jetzt so mancher stöhnen, nachdem die Feuilletons nicht müde werden, die Poplitertatur zu Grabe zu tragen, aber weit gefehlt: Mag sein, dass sich das Label Pop nicht mehr verkaufen lässt, als literaturwissenschaftlicher Gegenstand hat es gerade erst begonnen, interessant zu werden und zieht mehr Zuhörer denn je.
So begibt man sich also vergnügt diesem Gefühl hin, endlich mal wieder eine Art Blockseminar zu besuchen – geballter Erkenntnisgewinn, und das, obwohl draußen endlich wieder Frühling ist. Am ersten Tag der Veranstaltung tragen vier Autoren ihre Thesen zur Popliteratur vor. Moritz Baßler, der im letzten Jahr ein Buch zur Popliteratur geschrieben hat, macht seiner Begeisterung für die Methode der Poplitertatur Luft, Gegenwart zu archivieren, zu katalogisieren, aufzulisten. Thomas Ernst, der im vorletzten Jahr ein Buch über Popliteratur geschrieben hat, unterstreicht noch einmal, wie unpolitisch und unverantwortlich Popliteratur von Autoren wie Christian Kracht oder Benjamin von Stuckrad-Barre sei. So weit, so wenig Neues. Aber: In dieser dichten Zusammenfassung wird noch einmal deutlich: Kann man Literatur nach ihrer Machart beurteilen? Ist es wirklich egal, was man erzählt, Hauptsache, man erzählt es interessant?
Im Podium führte Jochen Bonz, der ein Buch über Thomas Meinecke geschrieben, einen Reader zum Stand der Popkultur herausgegeben hat, diese Frage schnell ad absurdum. Kurz zuvor hat er einen brillanten Vortrag über das Symbolische und das Imaginäre am Gesprächsprotokoll „Tristesse Royal“ gehalten – jenem Treffen im Hotel Adlon, bei dem sich Joachim Bessing, Christian Kracht, Eckhart Nickel, Alexander von Schönburg und Benjamin von Stuckrad-Barre 1999 über Rock und Ironie unterhielten. Seine These: Hier werden Motive wie Weltflucht und Ennui neu literarisiert. Auf den Vorwurf gegen die Popliteratur, sie sei unpolitisch, sagt er einfach: „Das Problem mit dieser Neuen Mitte ist: Denen geht es doch nicht gut.“ Oder, anders gesagt: Auch die schlechteste Popliteratur ist Rollenprosa, der man mit Ideologiekritik einfach nicht beikommt. SUSANNE MESSMER