piwik no script img

Archiv-Artikel

Das wahre Café Moskau

Wo die reichen Russen tanzen: Auf der russischen „Glamour-Party“ in der Karl-Marx-Allee

VON DANIEL BAX

Ein riesiges, silbernes Kreuz baumelt stolz über dem Ausschnitt des Mädchens. Die anderen tragen enge Netz-Tops und kurze Röcke mit großen Punkten, die blonden Haare gerne mal zum Pferdeschwanz gebunden. Aus den Boxen dröhnt ein russischer Hit, gefolgt von „Let’s get loud“ von Jennifer Lopez.

Freitagnacht auf der Karl-Marx-Allee. Es ist kurz nach Mitternacht, die Tanzfläche hat sich gerade erst gefüllt. Gegenüber liegt das Café Moskau, ein beliebter Club für Mitte-Hipser. Die aber ahnen nicht, das sich auf der anderen Seite der Straße das wahre Café Moskau befindet. Neben dem Kino International, in einem unauffälligen Diner-Restaurant: Es heißt Café Albert’s, mit obligatorischem Apostroph.

Tritt man zur Türe hinein und steigt man aber an der bulligen Security vorbei die Treppe hinab, findet man sich unversehens in einer Parallelwelt wieder: in der größten Russendisko der Stadt.

Diese Partys haben rein gar nichts mit jener Russendisko zu tun, die Wladimir Kaminer und Yuri Ghurzyi seit Jahren schon im Kaffee Burger veranstalten, wo eifrig dem Wodka, dem Bier und dem russischen Ska-Punk zugesprochen wird. Sie sind aber auch meilenweit entfernt von der Plattenbau-Tristesse, in der die Kinder der russischen Aussiedler ihre Partys feiern, in Marzahn. Hier läuft viel R’n’B, gemischt mit russischem Pop. Und die meisten Gäste dürften nicht einmal wissen, wer Wladimir Kaminer ist, der beliebteste Russe der Bundesrepublik. Sie kennen allenfalls Wladimir Klitschko, den Boxer.

Veranstaltet werden die Parties von Igor, der einen schwarzen Anzug trägt. Der 40-Jährige kam vor 18 Jahren zur Hotellehre in die DDR. Vor zwei Jahren organisierte er seine ersten Partys im „Annabel’s“, einem Schickimicki-Schuppen in der Fasanenstraße in Wilmersdorf. Das war schon vor der Wende ein beliebter Treffpunkt für die russische, oft jüdische Jugend, die es in die Mauerstadt verschlagen hatte.

Seit einem halben Jahr hat Igor seine Party nun in die Karl-Marx-Allee verlegt. Mehrere hundert Besucher kommen jede Woche zu seinen „Glamour-Partys“. Einmal im Monat wechselt er sogar an einen größeren Ort: so wie am letzten Samstag, als er zum Valentinstag ins Quartier 205 in der Friedrichstraße lud, mit Live-Band und Cheerleader-Show. Gut eintausend Menschen kommen dann, auch viele Deutsche. Voraussetzung ist, dass sie elegant angezogen sind und gerne etwas mehr Geld ausgeben.

Denn auf diesen Partys herrscht ein strikter Dress-Code vor: Mit Turnschuhen kommt keiner rein. Was der beliebteste Cocktail ist, weiß der Barkeeper nicht zu sagen. Die meisten bevorzugen offenbar Sekt oder Champagner-Mischungen. Es könnte aber durchaus auch „White Russian“ sein.

Zu jeder Party denkt sich Igor ein Show-Element aus: mal eine CD-Präsentation, mal eine Modenschau. Meist ist es aber auch bloß, so wie heute, eine Gogo-Show, wie sie inzwischen im Berliner Mainstream-Nachtleben offenbar obligatorisch ist.

Gymnastisch räkelt sich die Tänzerin aus Sankt Petersburg, die er engagiert hat, auf einer Empore, doch das Publikum beachtet sie kaum. Die Mädchen auf der Tanzfläche sind viel mehr beschäftigt damit, die Blicke auf sich zu ziehen. Hier ist schließlich jeder selbst ein Star.