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Archiv-Artikel

„Wünsch dir was“ bei CDU

Die Union wählt Diepgen zum Ehrenvorsitzenden. Der bedankt sich mit Träumereien ungeachtet jeder Haushaltsmisere. Schmitt wieder Spitzenkandidat für Europa

Natürlich taten sie es nur leise und vereinzelt, aber immerhin hörbar. Peinlich sei gewesen, war von einzelnen CDUlern im Foyer des Parteitags zu hören, was sich der neue Ehrenvorsitzende der Union da geleistet hatte. Ein paar Bemerkungen hatte Eberhard Diepgen angekündigt, gerade mit 81,6 Prozent gewählt. Daraus wurde eine Traumreise ins Jahr 2014, die an eine „Wünsch dir was“-Sendung erinnerte.

Da wetterte der Exregierungs- und Parteichef zuerst gegen Föderalismus, „der in Wahrheit Regionalismus ist“. Um gleich darauf für Berlin Transrapids gen Osten, Siemens-Zentrale und Schloss herbeizuzuträumen. Das alles solle die CDU als „Partei der sozialen Gerechtigkeit“ tun. Diepgen-Politik der Neunziger. Die unter seiner Führung entstandende Finanzmisere interessierte ihn wenig: Man solle den Blick nicht nur auf die Haushaltslage werfen, sondern „investieren in die richtigen Dinge“.

Natürlich gab es auch dafür Applaus – schließlich war der Mann gerade erst gewählt, hatte knapp jene 80 Prozent übersprungen, die Parteichef Joachim Zeller der taz zuvor als Messlatte nannte. Eine Aussprache gab es nicht. Selbst die Junge Union schwieg, die Diepgen hart kritisierte hatte. Es schien, als ob die Partei so schnell wie möglich die schon 2002 vorgeschlagene Ehrung hinter sich bringen und Diepgen endgültig in Rente schicken wollte. Hintergründig auch die Reaktion der Parteitagsleitung, die sich für „Schnellzüge und Luftschlösser“ bedankte.

Eine andere Rede war ihren langen Beifall wert. Nicolas Zimmer, der vor neun Monaten gewählte und seither zuweilen hölzerner als zuvor wirkende Fraktionschef, redete stark, gab der Partei die erwarteten Attacken auf SPD-Chef Peter Strieder – „Ich nennen einen solchen Menschen einen üblen Heuchler“, kündigte selbstbewusst einen Regierungswechsel an. Noch ein paar solcher Auftritte und die Frage nach dem Spitzenkandidaten 2006 stellt sich nicht mehr. Zumal die angeblichen Alternativen von der Bundesebene, Generalsekretär Laurenz Meyer und Finanzexperte Friedrich Merz, abgewunken haben sollen.

Die CDU, die am Vorabend Ingo Schmitt erneut zum Spitzenmann für die Europawahl am 13. Juni nominierte, zeigte beim Parteitag, dass sie zweieinviertel Jahre nach ihrem Wahldebakel über die Zeit der Personalquerelen hinaus ist. Zur Frage der zukünftigen Hauptstadtrolle ergaben sich intensive Wortwechsel am Rednerpult. Dass parallel die SPD an den Tempodrom-Vorwürfen gegen Strieder herumkaut, passte ins gewünschte Bild: Seht her, die haben Zoff, wir machen Sachpolitik.

STEFAN ALBERTI