Ein Kuchenpanzer für Basra

Die Berliner Antikriegsdemonstration war zugleich Zeichen der Ohnmacht und notwendiger Protest gegen die Ohnmacht

aus Berlin DETLEF KUHLBRODT

Zunächst wirkte es wie eine seltsame Ungleichzeitigkeit: Während die militärische Seite des völkerrechtswidrigen Kriegs gegen den Irak glücklicherweise zu Ende geht und man sich vor dem Fernseher darüber aufregt, dass die Besatzer es ein paar Tage lang nicht einmal für nötig hielten, Krankenhäuser zu beschützen, protestierten die Antikriegsgruppen, die sich in der „Achse des Friedens“ organisiert hatten, vermutlich ein letztes Mal gegen den Krieg im Irak. 5.000 wie Presseagenturen meldeten, 20.000 nach Angaben der Veranstalter, hatten sich am Samstagnachmittag vor der CDU-Zentrale am Berliner Lützowplatz versammelt und waren von dort aus zum Brandenburger Tor gezogen. Pazifisten, Sozialisten, Greenpeace-Aktivisten, Trotzkisten, Friedensbewegungsveteranen, Schüler, Attac-Aktivisten und viele Einzelne, die sich von keiner Organisation repräsentiert fühlten, protestierten noch einmal gegen den Krieg, der nicht dadurch gerechtfertigt ist, dass er von den Alliierten gewonnen wurde.

Als internationaler Antikriegstag war die Demonstration in einer Zeit beschlossen worden, als man davon ausging, dass das alles noch länger dauern würde. Die Flugblätter und Plakate, deren Forderungen nun plötzlich nicht mehr ganz zu passen schienen, waren längst gedruckt: die Forderung an die Bundesregierung, „den Angriffskrieg als völkerrechtswidrige Aggression zu verurteilen“, den deutschen Luftraum zu sperren, die Awacs-Aufklärungsflüge einzustellen, Rüstungsexporte an die westlichen Bruderländer erstmal auszusetzen, wie es die Schweiz gemacht hat. Vor allem die griffige Forderung an die Briten und Amerikaner, sofort das Land zu verlassen, die auf vielen Plakaten zu lesen war, schien nun plötzlich unpassend.

Vor der CDU-Zentrale sprachen vor allem Amerikaner gegen den Krieg. „Ich war als Soldat in Vietnam, und es war Scheiße“, sagte der Rastafari-Musiker Stephen Summers, rappte dann und verkaufte ein paar CDs. Die Friedensaktivistin Eva Quistorp beschwerte sich darüber, dass als Redner nur „100-Prozentige“ zugelassen worden seien; also Leute, die auch öffentlich gegen die vergangenen Kriege gewesen seien. Es sei „ein Wahnsinn, was unser Staat anrichtet“, sagte der amerikanische Schriftsteller Nick Levine, wies auf die „Gleichschaltung“ der US-Medien hin und hoffte auf die Unterstützung der Demonstranten gegen den Weg der USA in einen „Polizeistaat“. Fast alles, was gesagt wurde, hatte man schon tausendfach gehört in den letzten Wochen. Es war richtig, wirkte aber gleichzeitig hilflos. Fred Klinger von Pax Christi legte eine Schweigeminute für die Opfer ein. Später sprachen noch der stellvertretende Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern (PDS), ein Friedensforscher und ein arabischer Friedensfreund, der Emile Zolas „J'accuse“ variierte.

Da und dort sah man haufenweise Plakate herumliegen, die vor zwei Wochen noch drei Euro gekostet hatten. Greenpeace-Aktivisten forderten „Abrüsten!“. Sie hatten aus Kuchen einen Panzer gebacken und verkauften Teile davon. Der Erlös soll an ein Kinderkrankenhaus in Basra gehen. In die Slogans „Merkel, Merz, Kriegstreiberpack – Finger weg vom Irak“ oder „Gerhard Schröder – nein heißt nein, Luftraum sperren, das muss sein“ stimmte kaum jemand ein. Auch die Rede vom „heldenhafen Kampf“ der Irakis blieb eine Einzelmeinung.

Der Wagen der „Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär“ beschallte die Demo mit Iggy Pops „Search &Destroy“. Später am Brandenburger Tor gab's ein paar kuschelige Lieder von Ton Steine Scherben. „Der Traum ist aus, aber der Kampf um das Paradies geht weiter.“ Die Demonstration war gleichzeitig Zeichen der Ohnmacht und notwendiger Protest gegen die Ohnmacht. Auf die Formel „Kriege sind eine Schweinerei“ könnten sich wohl alle einigen.