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Archiv-Artikel

Maoisten spielen mit dem Segen des Königs

Nepals Friedensprozess wird immer surrealer. Zu den ersten Friedensgesprächen erschien nur eine Seite

DELHI taz ■ Am Sonntag fanden in Nepals Hauptstadt Kathmandu erste „Goodwill Talks“ zwischen der Regierung und den maoistischen Rebellen statt. Die fünfköpfige Delegation der Maoisten erschien vollzählig, die Regierung war nur durch Kabinettsminister Narayan Singh Pun vertreten. Das Treffen fand im Hauptquartier einer lokalen Fluglinie statt, deren Besitzer Pun ist. Auf Fragen von Journalisten, wer denn neben ihm noch zur Regierungsdelegation gehöre, antwortete Pun, er wisse nicht einmal, ob er dazugehören werde.

Während der kurzen Zusammenkunft spielte sich am Sitz des Premierministers eine ebenso surrealistische Szene ab. Regierungschef L. B. Chand hatte zum vierten Mal eine „All-Parteien-Konferenz“ einberufen, um eine Verhandlungsdelegation für Friedensgespräche zu bestimmen. Und zum vierten Mal waren die beiden größten Parteien – die Kommunisten und die Kongresspartei – nicht da.

Diese beiden Parlamentsparteien sprechen der Regierung jede Legitimität ab, da diese durch den König eingesetzt wurde, nachdem dieser am 4. Oktober mit einem „Verfassungsputsch“ das Steuer übernommen hatte. Ihre negative Strategie hat den Parteien bisher wenig eingetragen. Die Öffentlichkeit hat ihnen noch nicht verziehen, dass sie, mit den Worten der Nepali Times, „das Ansehen der Demokratie in den letzten zehn Jahren mit Selbstsucht, gebrochenen Versprechen und Faktionalismus“ verspielt haben. Sie hätten König Gyanendra damit zu einem unverdienten Popularitätsgewinn verholfen.

Diesen hat der Monarch noch ausgeweitet, als er die Maoisten, die für seine Abschaffung kämpfen, zu einem Waffenstillstand bewegen konnte. Doch sein Versprechen einer effizienten Technokratenregierung hat er bisher nicht einlösen können. Sie zeichnet sich durch solche Inkompetenz aus, dass er letzte Woche die Hälfte des Kabinetts auswechseln musste.

Die politischen Gewinner dieser Lage sind die Maoisten. Einige ihrer Spitzenleute befinden sich seit bald drei Wochen in Kathmandu und profitieren von der faktischen Immunität, die ihnen die Regierung für die Dauer der Friedensgespräche eingeräumt hat. Baburam Bhattarai, eine ihrer drei Führungsfiguren, wurde über Nacht vom meistgesuchten Mann des Landes zum meistgesuchten Gesprächspartner. Letzte Woche organisierte die Linke für ihn eine Großveranstaltung, welche ganz Kathmandu in Rot verwandelte. Sie benutzten die Tribüne, um unter Polizeischutz ihre Gewaltmethoden zu verteidigen und König und Parlament zur Hölle zu wünschen. Geschickt machen sich die Maoisten das Zerwürfnis zwischen König und Parteien zunutze, indem sie sich einerseits dem Königshaus als einzige Gesprächspartner anbieten und andererseits die politischen Anliegen der Parteien unterstützen.

BERNARD IMHASLY