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Archiv-Artikel

„Grundig zu Grunde saniert“

Was einst als Synonym für „Made in Germany“ stand, ist seit gestern insolvent: Weil der Elektronikkonzern Grundig keine neuen Investoren fand, blieb nur der Gang zum Insolvenzrichter. Der Betriebsrat kritisiert schwere Managementfehler

aus München OLIVER HINZ

Die letzte große Marke der deutschen Unterhaltungselektronik liegt seit gestern in den Händen eines Insolvenzverwalters: Grundig, einst Vorzeigeadresse des deutschen Wirtschaftswunders, ist pleite. Nach jahrelangem Überlebenskampf gab das Nürnberger Traditionsunternehmen die Suche nach einem Investor auf und meldete sich beim Insolvenzrichter. Gefährdet sind fast 4.000 Arbeitsplätze, 1.800 davon in Deutschland.

Nacheinander waren in den vergangenen Wochen zwei potenzielle Investoren abgesprungen. Anfang März scheiterte die noch im Januar zelebrierte Übernahme durch den taiwanesischen Elektronikkonzern Sampo. Vor einer Woche winkte auch der türkische Unterhaltungsgerätehersteller Beko ab. Zwar sprach das Management auch danach noch von „aussichtsreichen Kontakten zu weiteren Interessenten“ – kolportierte etwa die US-Bank Citigroup. Doch daraus wurde nichts. Denn Grundig hat als chronischer Verlustbringer vor allem Schulden von offenbar 200 Millionen Euro zu bieten. Das wiegen der noch immer gute Markenname und das große Vertriebsnetz mit 29.000 Fachhändlern in Europa nicht auf.

Besonders wüst schimpfte der bayerische IG-Metall-Chef Werner Neugebauer über den Insolvenzantrag: „Das erfolgreiche Unternehmen wurde systematisch zu Grunde saniert.“ Die Belegschaft habe in den letzten drei Jahren durch einen Sanierungstarifvertrag auf 20 Millionen Euro verzichtet. Doch der oberbayerische Antennenbauer Anton Kathrein, der Grundig Ende 2000 vom niederländischen Philips-Konzern kaufte, habe die nötige Neuausrichtung versiebt. Schon zuvor gab es immer wieder Massenentlassungen. Noch 1980 arbeiteten weltweit 38.000 Menschen für Grundig.

Betriebsratschef Thomas Schwarz gab den Banken wegen ihrer „strangulierenden Auflagen“ und der Unternehmensberatung Roland Berger wegen ihres falschen Tipps eine Mitschuld an der Misere. „Mit dem Scheitern ihrer Konzepte wurden die alten Unternehmensführungen nicht die Sanierer, sondern die Totengräber von Grundig“, klagte Schwarz. Doch der Insolvenzantrag böte auch eine Chance. Nun könnten neue Interessenten gewonnen werden, weil die Rosinen von Grundig billiger zu haben sein dürften. Als profitabel gelten die Sparten Autoradio, Bürokommunikation und Satellitensysteme.

Das Geschäft mit Fernsehern, mit dem die Firma groß wurde, erwirtschaftet schon lange rote Zahlen. Der Marktanteil sank in Deutschland auf 16 Prozent – und damit erstmals auf Platz zwei hinter den früheren Mutterkonzern Philips. Zuletzt stellte der einstige Branchenprimus 1,7 Millionen Glotzen im Jahr her.

Bayerns Wirtschaftsminister Otto Wiesheu verweigerte die von der SPD geforderte zweite Landesbürgschaft zur Rettung von Grundig. Das Insolvenzverfahren bedeute nicht unbedingt eine Zerschlagung des Unternehmens, hoffte er. Doch es sieht so aus, als folge Grundig den deutschen Marken Dual, Saba und Telefunken. Die gibt es zwar noch, sie kleben aber längst auf Geräten fremder Hersteller.

Grundig-Mehrheitseigner Anton Kathrein rechnet nicht mit einer „Zerschlagung“ des überschuldeten Elektronikkonzerns. Ein Großteil der Arbeitsplätze werde erhalten bleiben. Erklärte Kathrein zumindest der Financial Times.