: Bauernverband will internationale Klimaregeln ändern
Die Landwirtschaft schneidet in vielen Emissionsbilanzen schlecht ab. Aber die Berechnungen seien unfair, kritisiert die mächtige Agrarlobby. Der Bauernverband fordert, das in Wäldern und Biosprit gebundene CO2 gegenzurechnen. Umweltschützer lehnen solche Ausnahmen ab
BERLIN taz ■ Das konnte der Deutsche Bauernverband (DBV) nicht auf sich sitzen lassen: Im August brandmarkte die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch die Landwirtschaft als einen der größten Klimakiller. Demnach verursachen die Bauern mehr als 13 Prozent des Ausstoßes von Treibhausgasen in Deutschland. Foodwatch verlangte deshalb konkrete Reduktionsziele für die Landwirtschaft – was für die Branche teuer werden könnte.
Nun holt der größte Agrarverband der Republik zum Gegenschlag aus. Sein stellvertretender Generalsekretär Adalbert Kienle forderte diese Woche in Berlin, die Berechnung der Klimabilanz zugunsten der Bauern zu ändern. Denn der DBV meint: Land- und Forstwirtschaft sind die einzigen Branchen, die mehr Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) binden als produzieren.
Schließlich verbrauchten etwa das Gras auf den Weiden oder das Getreide auf den Feldern der Bauern beim Wachsen CO2. „Emission und Bindung – das gehört zur Bilanz“, verlangte Kienle deshalb. „Was wir uns auch unbedingt wünschen, ist, dass auch der bäuerliche Forst mit einbezogen wird.“ Denn weit mehr als die Hälfte der deutschen Bauernhöfe hätten Waldflächen, deren Bäume das Treibhausgas speichern.
Aus diesen Gründen kritisierte er die UN-Klimarahmenkonvention, unter deren Dach die Regeln für die Bilanzierung festgelegt sind. „Die muss korrigiert werden“, so Kienle.
Zudem dürften Verbände wie Foodwatch in ihren eigenen Berechnungen nicht die Emissionen bei der Herstellung von Dünger der Landwirtschaft negativ und gleichzeitig Klimavorteile durch Agrotreibstoffe dem Verkehr positiv in die Bilanz schreiben, sagte der Bauernfunktionär: „Das geht natürlich nicht. Da wehren wir uns.“
Um die CO2-Bilanzierung zu ändern, ist der hervorragend vernetzte Bauernverband schon bei der Bundesregierung vorstellig geworden. Auch mit dem Umweltbundesamt und dem Bundesamt für Naturschutz habe man „das Zahlenspiel rauf und runter diskutiert“, berichtete der Vizegeneralsekretär.
Der Grund für die intensive Lobbyarbeit sind Forderungen, die Landwirtschaft in den Emissionshandel einzubeziehen. Das bedeutet: Die Bauern müssten dafür bezahlen, Treibhausgase zu produzieren. Diesen Schritt lehnte Kienle ausdrücklich ab. Auch den Vorschlag, Verbraucher auf den Verpackungen über die Höhe der CO2-Emissionen ihrer Lebensmittel aufzuklären, hält er für „dummes Zeug“.
„Solange es die Regeln gibt, müssen Sie sich an sie halten“, konterte Foodwatch-Chef Thilo Bode die Forderungen des DBV. Und nach diesen internationalen Vereinbarungen sei die Landwirtschaft eben keine CO2-Senke – also kein Reservoir, welches das Treibhausgas aufnimmt. Da könne der Bauernverband nicht ausscheren.
Sollte sich die Organisation mit ihren Bilanzierungswünschen durchsetzen, fürchtet der Verbraucherlobbyist, dass ebenso andere Branchen Ausnahmen für sich verlangten. Denn dann „müssten eigentlich auch die Hersteller von Solarstromgeräten von der Klimapolitik ausgenommen werden, weil die CO2-freien Strom produzieren. Jeder Wirtschaftszweig hat ja auch positive Effekte“. Bei so einem Szenario wäre aber das ganze mühselig ausgehandelte Bilanzierungssystem infrage gestellt.
Bode zur Seite sprang Jesko Hirschfeld vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, das die umstrittene Studie für Foodwatch erstellt hat. Die Treibhausgase aus dem Dünger gehörten in die Bilanz, weil die Landwirtschaft mit ihm arbeite, sagt der Wissenschaftler. Und Biogasanlagen auf Bauernhöfen habe das Institut sehr wohl der Branche gutgeschrieben. Die Forderung, Wald von Bauern direkt der Landwirtschaft positiv anzurechnen, lehnte er ab. „Unsere Frage war: Wie kann man die landwirtschaftliche Produktion klimatechnisch verbessern?“, erklärte Hirschfeld. Und da helfe die Diskussion um solche Details nicht weiter. JOST MAURIN