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Archiv-Artikel

Das Leiden der Autofahrer

Alle reden über den Verkehr – wir auch. Von autofeindlichen Verschwörungen im Rathaus, Parkplatzproblemen, Straßengolf und unergründlichen Ampelschaltungen

„Eine einflussreiche Strömung kämpft gegen das Auto wie Don Quischott“

taz ■ Knall auf Fall wird es Frühling – und was fällt uns dazu ein? Genau: Autofahren. Verkehr. Parkplätze. Straßen. Der CDU-Abgeordnete Jörg Jäger beschwert sich über „unsinnige Halteverbote“ und glaubt, dass „vielen Sozialdemokraten das Auto immer noch ein Dorn im Auge ist“. Die Junge Union (JU) hat denselben Eindruck und will „die löchrigste Straße Bremens“ küren, um mit der Bausenatorin darauf Streetgolf zu spielen. „Insbesondere die Wohnstraßen könnten jeden Golfplatz übertreffen – viele haben deutlich mehr als 18 Löcher zu bieten.“ Welche Straßen er dabei besonders im Auge habe, konnte der JU-Kreisvorsitzende Christian Conreder gestern nicht sagen. „Das sollen die Bremer und Bremerinnen uns melden.“

Auch die Medien stürzen sich in der themenarmen Ferienzeit auf Verkehrsprobleme. Eine Reporterin von buten un binnen verbrachte vergangene Woche mehrere Stunden damit, wütende Anwohner zu filmen, die sich über einen viel zu kleinen Verkehrskreisel in Horn aufregten. Sehr schön wurde gezeigt, wie viele Möglichkeiten es gibt, den Kreisverkehr zu ignorieren und einfach drüber hinweg zu braten.

Während bei bubi vor allem die Nöte der Fußgänger und Radfahrer im Mittelpunkt standen, hat es der Weser Kurier mehr mit den Autos. Unter der Überschrift „Nur die Vorhölle für Parplatzbesucher“ ging es gestern um die SAT 1-Umfrage, in der Bremen ein furchtbares Parkplatzproblem bescheinigt wurde. Die Lokalzeitung forderte ihre Leser gleich dazu auf, „verwirrende Verkehrsschilder und unergründliche Ampelschaltungen“ zu melden. Parallel dazu äußern sich auf den Internetseiten des WK seit gestern erboste Autofahrer über die ihrer Meinung nach „autofeindlichste Stadt“ Deutschlands: „Der Heiligen Kuh Straßenbahn“ werde das Auto geopfert, glaubt einer, der eine autofeindliche Verschwörungsbande im Rathaus wittert. Sein Originaleintrag: „Eine einflussreiche Strömung in der Bremer Politik kämpft offensichtlich gegen das Auto wie Don Quischott gegen die Windmühlen.“ Derselbe vermutet, dass es Leute gibt, die sich kein Auto leisten können und deshalb aus Missgunst „provokativ langsam über die Straße gehen“. Ein anderer sieht Arbeitsplätze bedroht, wenn der „Kinder-Traum von tausenden Pedalrittern mit Rucksack und Hosenklammern in der Innenstadt“ wahr würde. Und noch jemand findet, dass „sich die Innenstadt immer mehr von Fahrradboten tyrannisieren lässt“.

„Alles Kokolores“, sagt der Sprecher der SPD-Bausenatorin, Holger Bruns, und zählt gleich alle Bremer Auto-Projekte auf: „Hemelinger Tunnel, Georg-Bitter-Trasse, A 281 – und momentan beziehen wir mächtig Prügel für die Horner Spange und den Ausbau der Schwachhauser Heerstraße.“

Also alles paletti in der Autostadt Bremen? Fast. „Ja, es gibt ein Parkplatzproblem im Viertel, und nein, dafür gibt es keine Lösung“, sagt der Viertel-Ortsamtsleiter Robert Bücking. Der Grund: Als die Straßenzüge der Östlichen Vorstadt im 19. Jahrhundert gebaut wurden, konnte sich noch niemand vorstellen, dass da einmal Blechkisten durchdonnern würden. Und heute seien es zu viele Autos für das dichtbesiedelte Viertel mit seinen engen Gassen. Bücking: „Ein Ausweg wären mehr gebührenfinanzierte Quartiersgaragen – und natürlich mehr Leute, die sich ein Auto teilen“.

Auch sein Vorgänger Hucky Heck, der sich seinerzeit erfolglos für ein verkehrsberuhigtes Viertel eingesetzt hatte, glaubt nicht daran, dass man den Leuten ihren PKW ausreden kann. Aber: „Das Auto braucht ja nicht direkt vor der Haustür zu stehen!“ Sein Vorschlag: Sammelparkplätze am Rand der Stadtteile und dann zu Fuß nach Hause gehen. Eiken Bruhn

Auf welchem Bürgersteig liegen die meisten Hundehaufen? Hinweise an taz bremen, Schlachte 1, 28195 Bremen oder redaktion@taz-bremen.de