: Die Linke muckt auf
Kurz vor der Bürgerschaftswahl sammeln Bremer SPD-Abgeordnete Unterschriften gegen den Kanzler. Die Landes-Parteispitze ist wenig erfreut
taz ■ Knapp sechs Wochen vor der Bürgerschaftswahl stören Bremer SPD-Linke den sozialdemokratischen Burgfrieden. Bis zu hundert Unterschriften von Weser-SPDlern sollen bis Anfang Mai einen Aufruf norddeutscher Sozialdemokraten zieren, der sich gegen die von Kanzler Gerhard Schröder ausgerufene „Agenda 2010“ wendet. Das wünscht sich zumindest Mario Domann-Käse, Bremer SPD-Bürgerschaftler und Erstunterzeichner des parteiinternen Aufrufs „Für eine sozialdemokratische Politik der SPD“. Wahlen hin, Wahlen her – die Bremer SPD sei schließlich „kein Kanzlerwahlverein“, sagt Domann-Käse. Der Aufruf, der noch über das bundesweit gestartete „Mitgliederbegehren“ zu Schröders Agenda 2010 hinausgeht, soll am 7. Mai auf der SPD-Regionalkonferenz Nord in Hamburg diskutiert werden.
Auch Joachim Schuster, der umweltpolitische Sprecher der Fraktion, sowie Juso-Chef Thomas Ehmke gehören zu den ersten Unterzeichnern des Papiers, das sich unter anderem für den Erhalt des Kündigungsschutzes, gegen Kürzungen für Arbeitslose und Einschnitte bei der Rentenversicherung ausspricht.
Im SPD-Haus am Wall ist man not amused über die Abweichler aus den eigenen Reihen: „Wir haben mit unserem Programm und unserem Spitzenkandidaten gegenüber Grünen und CDU die Nase vorn“, grollt Fraktionschef Jens Böhrnsen. Die Bremer SPD wäre „jetzt klug beraten, sich nicht auf anderen Feldern zu verkämpfen.“
SPD-Landeschef Detlev Albers hält den Aufruf der Nord-Sozialdemokraten indes „durch den Sonderparteitag für überholt“. Das sei doch alles „abwegig“, sagte Albers, der gerade am Bodensee urlaubt, der taz. Zudem geht er davon aus, dass der Kanzler-Kurs auf dem Sonderparteitag gebilligt wird, „aber nicht, ohne dass wir eine ganze Reihe von Nachbesserungen vorgenommen haben“.
Dass die Bremer SPD mit dem Aufruf kurz vor dem 25. Mai wenig Einigkeit zeigt, kratzt die Aufmüpfigen wenig. Mario Domann-Käse: „Im Wahlkampf ist das natürlich nicht optimal.“ Allerdings sei ein „Weiter so“ auch „keine brauchbare Position“. Immerhin werde der Sonderparteitag zu den Reformen ja erst nach der Bremer Wahl stattfinden – am 1. Juni in Berlin.
Der SPD-Linke Schuster wäre dann gerne einer der fünf Bremer Delegierten. Durch seine Unterschrift unter den Aufruf mache er sich bei der Landes-SPD „keineswegs zum Buhmann“. Schuster: „Bei diesen Fragen darf man nicht schweigen.“ Außerdem führe die Bremer SPD derzeit einen Landeswahlkampf – ohne Bundespolitik. Die sei ja „derzeit auch nicht besonders prickelnd“, meint Schuster.
Helga Ziegert, in Personalunion Bremer DGB-Chefin und SPD-Abgeordnete, zögert indes, sich an der Aktion zu beteiligen – auch wenn der Partei-Aufruf ureigenen Gewerkschaftsforderungen entspricht. Ziegert: „Die Frage ist doch, was das Papier eigentlich bewirkt.“
Kai Schöneberg