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Die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst liegen auf Eis. Erst Mitte Mai soll’s weitergehen. Aber der Senat könnte auch ohne Abschluss seine Sparziele erreichen. Gewerkschaften fordern Angebot

von RICHARD ROTHER

Streik, Wut, Proteste – im Moment Fehlanzeige. Offiziell befinden sich Senat und Gewerkschaften zwar in Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst, aber derzeit tut sich herzlich wenig. Keine Warnstreiks, keine Gespräche, die Verhandlungen liegen auf Eis. Ver.di-Tarifexperte Burkhard Thiemann bringt den Schwebezustand auf den Punkt: „Still ruht der See.“

Dabei hatte es vor Monatsfrist noch ganz anders ausgesehen. Zwar hatten sich Senat und Gewerkschaften nach der zweiten Verhandlungsrunde vertagt, ohne einen neuen Termin zu nennen – aber gerechnet wurde damit, sich Anfang April wiederzusehen. Fehlanzeige. Seit gestern ist immerhin ein neuer Termin für die Tarifverhandlungen im Gespräch: Mitte Mai werde angepeilt, sagte der Sprecher der Innenverwaltung, Peter Fleischmann. Ver.di-Verhandlungsführer Roland Tremper würde zwar gerne früher verhandeln, erwartet aber „Bewegung vom Senat“.

Der Grund für das Zeitspiel: Vor allem der Senat scheint es gar nicht mehr eilig damit zu haben, einen Tarifabschluss für die rund 100.000 Arbeiter und Angestellten des Landes zu vereinbaren. Einen Abschluss, mit dem Rot-Rot 500 Millionen Euro an Personalkosten sparen wollte. Die Instrumente dafür: weniger Arbeit für weniger Geld, Einschnitte beim Weihnachts- und Urlaubsgeld.

Jetzt macht offenbar eine andere Rechnung die Runde: Kommt es zu keinem neuen Tarifabschluss für die Arbeiter und Angestellten, gilt der alte Vertrag fort. In diesem Fall kann der Senat zwar nicht das Weihnachts- und Urlaubsgeld kürzen – er muss aber auch nicht die Tariferhöhungen zahlen, die bundesweit vereinbart worden sind. In diesem Jahr macht das schon rund 50 Millionen Euro aus, bis zum Jahr 2006 würde der Betrag auf rund 200 Millionen Euro steigen.

Hinzu kommen weitere Einsparmöglichkeiten bei den Beamten. Auf Initiative Berlins hatte der Bundesrat beschlossen, regionale Öffnungsklauseln bei der Beamtenbesoldung zuzulassen. Dem muss der Bundestag noch zustimmen, Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat aber schon Unterstützung zugesagt. Schon bald also könnte der Senat den Beamten Weihnachts- und Urlaubsgeld kürzen oder komplett streichen – und sie 42 Stunden pro Woche arbeiten lassen.

Insgesamt hätte der Senat damit im Jahr 2006 sein Sparziel fast erreicht, auch ohne neuen Tarifvertrag. Allerdings könnte eine solche Lösung zu Unmut in den Verwaltungen führen – müssten doch die Beamten mehr einbüßen als die Angestellten. Daran kann eigentlich niemand ein Interesse haben; auch der Senat hält die 42-Stunden-Woche für Beamte für kontraproduktiv.

Für Ver.di-Mann Thiemann ist klar, dass die Arbeitszeit für die Beamten wieder reduziert werden muss. Zwar sind beamtenrechtliche Fragen nicht Gegenstand von Tarifverhandlungen, aber nach Thiemanns Ansicht kann sich der Senat parallel dazu verpflichten. „Aber nicht nur auf Zuruf, sondern schriflich.“ Für Ende April, Anfang Mai erwartet Thiemann ein konkretes Angebot des Senats. „Danach sehen wir weiter.“ Arbeitskampfmaßnahmen seien jedenfalls nicht auszuschließen.

Auch Ver.di-Verhandlungsführer Roland Tremper machte gestern noch einmal Druck. Alles hänge an dem Papier, das der Senat den Gewerkschaften übermittle: „Wenn es so grausam ist, dass unsere Tarifkommission nicht weiterverhandeln will, dann können die Gespräche auch ganz abgebrochen werden.“

Die Frage ist nur, ob diese Drohung wirkt. Die bisherigen Warnstreiks jedenfalls haben den Senat wenig beeindruckt.

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