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Archiv-Artikel

„Schule ist für Kinder da – nicht umgekehrt“

Aufruf eines Verbunds von Schulen, die sich in ihrer Arbeit reformpädagogischen Traditionen verpflichtet wissen

„Timss und Pisa haben in Deutschland wie ein Schock gewirkt. Der kann heilsam sein, wenn er zu einem neuen gesellschaftlichen Konsens über die Frage führt, was eine gute Schule sei. Wir sehen in der gegenwärtigen Situation die Chance für eine tief greifende pädagogische und didaktische Erneuerung. Diese Chance würde vertan,

– wenn an die Stelle der ‚radikalen‘ Frage nach der pädagogischen Qualität von Schule lediglich die Verordnung von ‚Maßnahmen‘ tritt;

– wenn die Pisa-Rankings dazu verleiten, Schulen als ‚Wissens-fabriken‘ zu sehen, deren Qualität an quantitativ zählbaren Testpunkten gemessen und durch Druck gesteigert werden kann.

Wir […] möchten uns in die öffentliche Debatte einschalten und […] orientieren uns dabei an vier elementaren Aufgaben:

1) Individuelles Fördern und Herausfordern aller Kinder und Jugendlichen. Die wichtigsten Vorgaben für jede Schule sind die ihr anvertrauten Kinder – so wie sie sind und nicht so, wie wir sie uns wünschen mögen. Sie haben ein Recht darauf, als unverwechselbare Individuen ernst genommen zu werden. Sie haben ein Recht darauf, dass die Schule für sie da ist und nicht umgekehrt. […]

2) Erziehender Unterricht, Wissensvermittlung, Bildung: Lernen ist umso wirksamer, je mehr es an Erfahrung, (Selbst-)Erprobung, Bewährung und Ernstfall gebunden ist. Lernen ist umso weniger wirksam, je stärker es nur rezeptiv, fremdgesteuert, einseitig kognitiv bleibt: ‚paper and pencil‘ sind wichtige Hilfsmittel, aber schlechte Lehrmeister. Lernen braucht Erlebnis und Erfahrung ebenso wie Übung und Systematik. […]

3) Demokratie lernen und leben: Die Schule muss […] ein Ort sein, an dem Kinder und Jugendliche die Erfahrung machen, dass es auf sie ankommt, dass sie gebraucht werden und ‚zählen‘. Sie muss ihnen die Zuversicht mitgeben, dass das gemeinte gute Leben möglich ist. […] Zu diesem guten Leben gehört, dass die Unterschiedlichkeit und Vielfalt der Menschen als Reichtum angesehen wird, dass Schwächere geschützt werden, dass die gemeinsam festgelegten Regeln und geltenden Werte dem Egoismus der Einzelnen Grenzen setzen. […]

4) Reformieren der Schule ‚von innen‘ und ‚von unten‘: Die Schule muss […] eine sich entwickelnde Institution sein und sich zugleich treu bleiben. Ihre Arbeit ist nie ‚fertig‘, weil sie auf sich wandelnde Bedingungen und Anforderungen jeweils neu antworten muss. Dazu braucht die Schule Freiraum und muss Verantwortung übernehmen. […]“

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