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Archiv-Artikel

Ansturm auf die Jobcenter

Die Job-Aktiv-Center für junge Erwerbslose in Mitte und Kreuzberg sind Arbeitsamt und Sozialamt in einem. Bis zu 500 junge Leute kamen in den ersten zwei Wochen

Draußen grelle Frühlingssonne, drinnen ein langer Flur mit künstlichem Licht und kahlen Wänden – das neue Job-Aktiv-Center (JAC) in der Weddinger Müllerstraße strömt den wenig anheimelnden Charme deutscher Amtsgebäude aus. Eine junge Fitnesstrainerin lässt sich davon wenig beeindrucken: „Ich hoffe, dass ich bald eine neue Lehrstelle für September kriege.“ Die 24-Jährige hat Pech gehabt: Den Job als Trainerin musste sie aufgeben, weil ihre Knie nicht mehr mitmachten. Und die Lehre als Veranstaltungskauffrau war nach vier Monaten vorbei – ihre Firma ging Pleite. Jetzt aber müsse sie ein paar Fragen wegen der Krankenversicherung klären, dann sehe man weiter.

Das JAC Mitte im Wedding ist so etwas wie Arbeits- und Sozialamt in einem. Wie sein Friedrichshain-Kreuzberger Pendant richtet es sich ausschließlich an junge Erwachsene, die zum ersten Mal Leistungen beantragen. Der Vorteil: „Ich kann die Klienten gleich fachlich weitervermitteln“, sagt die Beraterin Julia Zimmermann. Beide Behördengänge ließen sich an einem Vormittag erledigen. Seit 1. April gibt es die beiden Jobcenter, die auf eine Hartz-Idee zurückgehen. Jeweils bis zu 500 junge Leute aus den Problembezirken kamen. Vermittelt wurden bislang aber erst rund zehn Arbeit Suchende.

„Wir wollen jedem schnell ein Angebot vorlegen“, sagt Ramona Schröder, Chefin des Arbeitsamts Berlin-Mitte – zuständig für Wedding, Tiergarten, Mitte, Kreuzberg und Friedrichshain. Mit den JAC könne man schneller und verbindlicher agieren. Zudem würden „Ausweichlöcher für Jugendliche zugemacht“. Denn beim Hin und Her zwischen Arbeits- und Sozialamt könnten Monate vergehen. Das Modell der kurzen Wege will aber nicht nur Arbeit, sondern auch Hilfe vermitteln. „Viele Klienten haben auch Probleme mit Schulden oder Drogen“, sagt Christian Hanke (SPD), Sozialstadtrat von Mitte. Deshalb sei eine Schuldner- und Drogenberatung integriert. Die Zusammenlegung der Ämter für Jugendliche bedeutet also zweierlei: Hilfsmaßnahmen werden effektiver koordiniert, der Druck auf die Betroffenen wird jedoch erhöht. Wer ein schnelles Angebot ablehnt, muss mit Sanktionen rechnen.

„Ich bin aus Pflicht hier“, sagt ein junger Lagerarbeiter. Vor einem halben Jahr brach er seine Lehre ab, seither ist er arbeitlos. Jetzt habe ihn der Betreuer vom Sozialamt hergeschickt. „Mit viel Glück kriege ich eine neue Ausbildung im September.“ Bis dahin werde er wohl Hilfsarbeiten machen müssen.

RICHARD ROTHER