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Archiv-Artikel

Kopftuch voll in Mode

„Integrationspolitisch in die falsche Richtung“: Die Berliner Migranten- und Ausländerbeauftragten sprechen sich gegen ein Kopftuchverbot aus. Sie fordern stattdessen Fortbildung und Pragmatismus

VON ADRIENNE WOLTERSDORF

Es geht um eine pragmatische Lösung anstelle eines generellen gesetzlichen Verbotes: So kündigten gestern die Ausländerbeauftragten des Senats und der Bezirke ihre gemeinsame Erklärung an, in der sie sich gegen ein berlinweites Kopftuchverbot aussprachen. Ein solches Verbot an Schulen und Kitas oder sogar im gesamten öffentlichen Dienst wäre „rechtlich fragwürdig und geht integrationspolitisch in die falsche Richtung“, heißt es in der auch vom Berliner Integrationsbeauftragten Günter Piening unterzeichneten Resolution.

Mit Sorge betrachtet die unterzeichnende Landesarbeitsgemeinschaft der Ausländerbeauftragten (LAG), dass muslimische Erzieherinnen, die ein Kopftuch tragen, kaum noch Praktikumsplätze fänden. Sie wirft zudem die Frage auf, ob dadurch nicht die Religionsfreiheit verletzt werde. Zugleich äußerten die MigrantenvertreterInnen sich „äußerst besorgt“, dass der Islam heute von manchen unter den „Generalverdacht des Extremismus gestellt“ werde. Eine „solche Isolierung und pauschale Zurücksetzung treibt einen Keil in unsere Gesellschaft.“ Extremistische und islamistische Gruppen würden dadurch „gestärkt“. Daher halten die Unterzeichnenden ein gesetzliches Kopftuchverbot für den gesamten öffentlichen Dienst, wie es der zuständige Berliner Innensenator Ehrhard Körting (SPD) im vergangenen Herbst forderte, für ein falsches Zeichen.

Statt eines Verbots plädieren die Ausländerbeauftragten für ein Dreipunkteprogramm. Erstens fordern sie einen „Aktionsplan zur Verbesserung der Freiräume sowie der Integrationschancen“ für Migrantinnen. Zweitens wollen sie mehr „Handreichungen für Schulen und Lehrkräfte“, um Alltagskonflikte in einer Einwanderungsgesellschaft besser lösen zu können. Viele Schulen fühlten sich mit den Problemen nämlich „allein gelassen“. Und drittens fordern die Unterzeichnenden ein Weiterbildungsprogramm für Schulen und Lehrkräfte.

„Das ist gut gemeint, geht aber an der Realität vorbei“, kommentierte die Sprecherin des Schulsenators Klaus Böger (SPD), Rita Hermanns, auf Nachfrage das Papier. Man könne den Ausländerbeauftragten nur raten, sich an Berliner Grundschulen zu informieren. Dort nehme der Druck muslimischer Eltern schon bedenklich zu. „Das Kopftuch sitzt nicht nur auf dem Kopf, es symbolisiert auch, was im Kopf drin ist“, sagte Hermanns. In der Schulverwaltung sehe man das Kopftuch daher auch als ein politisches Symbol, das in den Schulen nichts zu suchen habe. „Was die Schulen brauchen, sind keine Handreichungen oder Fortbildung“, sondern rechtliche Grundlagen. Es sei Aufgabe der Landesregierung, die „negative Religionsfreiheit“ zu gewährleisten, also für die weltanschauliche Neutralität der Schule zu sorgen.

„Wir nehmen die Resolution sachlich zur Kenntnis“ sagte der Sprecher der Innenverwaltung, Peter Fleischmann. Allerdings werde sie die Entscheidung des Innensenators kaum mehr beeinflussen. Körting will im März Senat und Abgeordnetenhaus eine Gesetzesnovelle vorlegen. Grundlage der Entscheidung werde sein, dass an Schulen und im öffentlichen Dienst keine symbolhafte Orientierung entstehen oder ablesbar sein soll. Zudem gelte es, die im Grundgesetzt festgeschriebene Gleichheit von Mann und Frau zu schützen. „Pienings Distanz zum staatlichen Regelungsinstrumentarium ist eigentlich nicht zu verstehen“, so Fleischmann. Schließlich seien Recht und Gesetz die legitimen Mittel der Demokratie. Hingegen fordere die Resolution „auf sympathische Weise einen nichtstaatlichen Weg der Regelung“ des Problems.