: Peinliche Übernahme
Seit Springers Einstieg bei transfermarkt.de erhebt „Bild“ den Klatsch von Fußballfans konsequent zur Nachricht
„Jeder Fußballfan hat einen Lieblings-Klub – und meistens auch eine Lieblings-Seite im Internet. Zum Beispiel: transfermarkt.de! Besonders beliebt ist die ständig aktualisierte ‚Gerüchteküche‘.“
Besonders beliebt ist die Seite für Fußballfreaks auch in der Bild-Redaktion, die diese Zeilen verfasste. Die unverhohlene Werbung ist ein Willkommensgruß für die neue Springer-Schwester, bei der der Medienkonzern im September die 51-prozentige Mehrheit übernahm.
Transfermarkt.de ist eine Besonderheit unter den Fußballseiten: Magazin, Community, Gerüchtebörse und Datenbank mit 90.000 Spielern in einem. Der riesige Fundus an Fachwissen zieht meist männliche und junge Fußballverrückte an –und wird durch sie erst möglich. Sie tragen der Seite zu, was sie wissen. Diese Fußballliebe war etwa im August für 14 Millionen Besuche und 168 Millionen Seitenaufrufe gut – damit spielt transfermarkt.de in einer Liga mit den Größen kicker.de und sport1.de.
Die „Gerüchteküche“ ist Regeln unterworfen – so soll sichergestellt werden, dass der Tratsch nicht völlig haltlos ist. Für die Bild aber scheint das nicht so wichtig zu sein. In ihrer Online-Rubrik „Gerücht des Tages“ lässt die Boulevardzeitung als Nachricht erscheinen, was nur Klatsch ist. Da wird schon mal ein mutmaßlicher Spielerwechsel hochgejazzt, dem auf transfermarkt.de eine Wahrscheinlichkeit von lediglich 5 Prozent zugebilligt wird.
Nicht nur deswegen hat Seitengründer Matthias Seidel gut damit zu tun, Befürchtungen der User zu entkräften. Für die Seite selbst habe sich nichts geändert, sagt der 39 Jahre alte Werder-Fan Seidel. „Es ist nicht, wie alle gedacht haben, dass unser Logo durch das Bild-Logo ausgetauscht wird.“ Niemand wolle das Konzept ändern. Seidel behält 49 Prozent der Anteile sowie die Hoheit über die kleine, fachlich-nüchtern arbeitende Redaktion, die vor allem für ihren guten Draht zu Spielerberatern bekannt ist. „Man darf sich nicht vorstellen, dass die Bildzeitung bei uns auf dem Schoß sitzt –oder anders herum“, sagt Seidel. Auch die Aufregung unter den Usern habe sich gelegt.
Seidel startete die Seite im Jahr 2000 – aus Fußballleidenschaft, nicht aus Unternehmergeist: „Da stößt man irgendwann an seine Grenzen.“ Springers Einstieg soll ihn seinem großen Ziel näher bringen, einem gedruckten Transfermarkt-Sonderheft.
Auch Springer gibt sich zufrieden. Durch die Übernahme sei man im Internet „Marktführer im Sportbereich“ geworden. Überhaupt hätten ja alle was davon: „Von den Möglichkeiten der medienübergreifenden Verzahnung profitieren sowohl User als auch Leser.“ Genaueres will ein Sprecher noch nicht preisgeben.
HENDRIK HEINZE