„Freie Stadt“

Die Geschichte des Freistaats ist eine Geschichte von Kämpfen, Siegen und Niederlagen: Am 26. September 1971 gründete eine Hand voll junger Dänen auf einem verlassenen Militärgelände vor den Toren Kopenhagens die Freie Stadt Christiania.

Auf rund 24 Hektar an den Wassergräben der alten Stadtbefestigung sollten Basisdemokratie, „Love and Peace“ und freier Haschkonsum jenseits der bürgerlichen Gesellschaft gelebt werden. Innerhalb von drei Jahrzehnten hat sich aus diesem Projekt eine Kleinststadt mit etwa tausend Einwohnern entwickelt.

Handel mit Haschisch ist in Dänemark verboten, wird aber im Freistaat geduldet. Einige der üblichen dänischen Verbote gelten trotzdem: keine harten Drogen, keine Gewalt, keine Waffen, kein Handel mit den Gebäuden und Wohnungen.

Nach jahrelangem Streit legalisierte das dänische Parlament 1989 Christiania und verabschiedete ein Gesetz über den Freistaat. Doch immer wieder drohte das formal für das Gelände zuständige Verteidigungsministerium mit Schließung.

1991, in Folge der letzten ernsthaften Drohung, war ein Vertrag zwischen dem Freistaat und dem dänischen Staat geschlossen worden. Darin verpflichtete sich die Christianiter, für Strom, Wasser, Müllabfuhr zu zahlen und die Restaurants und Cafés behördlich kontrollieren zu lassen.

1994 kam ein von Regierung und Parlament bestellter Untersuchungsbericht des Verteidigungs- und Justizministeriums zu dem Schluss, alles spreche dafür, dass die Christianiter bereit und in der Lage seien, die Selbstverwaltung zufriedenstellend zu lösen. Das Verteidigungsministerium lobte: „Die Vereinbarungen werden im Wesentlichen erfüllt.“

Doch die Entspannung war nicht von Dauer. Die liberal-konservative Regierung machte Ende 2001 deutlich, dass sie das soziale Experiment nicht länger dulden wolle. Statt den Freistaat zu verherrlichen, sollte anerkannt werden, dass es sich um einen Morast der Kriminalität handele.

Der Regierung wäre es am liebsten, das Areal in exklusiver Lage an den Meistbietenden zu versteigern, um neue Wohnhäuser zu bauen. Doch das würde heftige Proteste unter der Kopenhagener Bevölkerung hervorrufen. Drei Viertel von ihr billigt den so genannten Freistaat.

Dennoch mischt sich die von Rechtsradikalen gestützte Regierung ständig ins Leben von Christiania ein, weil die Polizei über die Machtübernahme von Rockern geklagt hatte. Die Regierung drohte umgehend, mit Bulldozern einzurücken. Christianiter bezeichnen diese Beschuldigungen als „Unfug“. Harte Drogen seien schon Ende der Siebziger verbannt worden.

Vor drei Wochen streikten die Haschverkäufer in Christiania drei Tage lang, um gegen die restriktiver werdende Rauschgiftpolitik der dänischen Regierung und die Polizeirazzien zu protestieren. Zudem wollten sie signalisieren, dass Haschkäufer künftig an andere Orte ausweichen könnten, wo es auch harte Drogen gibt.

Mit einer Demo vor dem Reichstag protestierten Christianiter jüngst gegen Pläne, ihr Quartier durch ein neues Wohnviertel zu ersetzen. WAHN