Vereint gegen Kulturdiebe

Unesco, FBI und Interpol wollen versuchen, möglichst viele der geraubten Kulturgüter aus der „Wiege der Zivilisation“ wieder zu beschaffen. Bush-Berater tritt wegen kultureller Tragödie zurück

BERLIN dpa/afp/ap ■ Die Weltkulturorganisation Unesco sowie Ermittler von FBI und Interpol wollen den Verkauf gestohlener irakischer Kunst aus geplünderten Museen verhindern. Unesco-Generaldirektor Koïchiro Matsuura forderte den UN-Sicherheitsrat auf, eine Resolution zum Schutz der Kulturgüter zu verabschieden, und forderte eine „Polizei für das Kulturerbe“. Derweil schickten die USA FBI-Beamte in den Irak; Interpol will sobald wie möglich Spezialisten entsenden.

Für den 5. und 6. Mai hat Interpol eine Konferenz am Sitz der internationalen Polizeiorganisation in Lyon einberufen. Auf dieser soll ein schnelles und effektives Vorgehen beschlossen werden. Einige der gestohlenen Kunstobjekte sind nach Unesco-Angaben in Paris aufgetaucht.

Ein Kultur-Spitzenberater von US-Präsident George Bush reichte indes unter Protest seinen Rücktritt ein. Martin Sullivan, Chef des Ausschusses für Kulturschätze, erhob schwere Vorwürfe gegen die US-Regierung: Die „Tragödie“ der Zerstörung irakischer Kunstschätze sei „wegen der Untätigkeit unseres Landes“ nicht verhindert worden.

Nachdem US-Soldaten Plünderungen großen Ausmaßes geduldet hatten, soll der FBI-Einsatz nun internationale Kritiker beschwichtigen. Die Unesco und andere Institutionen hatten nach eigenen Angaben der US-Regierung bereits im Januar detaillierte Listen mit 4.000 archäologischen Fundstätten übergeben. Auf einer Übersicht der bedeutendsten 150 Stätten stand das Irak-Museum demnach an oberster Stelle. Zu dessen Schutz hätten ein Panzer und wenige Soldaten ausgereicht, meint der Wissenschaftler Clemens Reichel von der Universität Chicago.

Die Unesco fordert nun ein internationales Importverbot für irakische Kulturgüter. Nach dem Willen von Unesco-Chef Matsuura soll der Weltsicherheitsrat ein „zeitlich begrenztes“ Ankaufs- und Importverbot erwirken. Schutzmaßnahmen für die Kulturgüter des Irak sind offenbar dringend: Nach dem Golfkrieg von 1991 sollen tausende von Kunstwerken aus dem Land geschmuggelt worden sein, berichtete jüngst die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Kurz darauf seien die Kulturgüter auf dem internationalen Kunstmarkt angeboten worden, bis Mitte der 90er-Jahre.

Verloren ging bereits möglicherweise eine Sammlung von etwa 80.000 sumerischen Tontafeln mit Bilderschrift, glaubt McGuire Gibson von der Uni Chicago. Auch die 4.000 Jahre alte silberne „Harfe von Ur“ sei verschwunden sowie eine wertvolle sumerische Vase aus Uruk und Bronze-Statuetten aus der akkadischen Epoche, meinte zudem ein irakischer Experte.

Die Plünderungen seien höchstwahrscheinlich von professionellen Diebesbanden aus dem Ausland organisiert worden, sagte Gibson. „Sie wussten, was sie wollten, sie hatten Schlüssel und haben nur Originale mitgenommen.“ Im Bagdader Nationalmuseum waren mehr als 170.000 Gegenstände aus Mesopotamien ausgestellt, wo vor über 5.000 Jahren die Reiche der Sumerer, Akkader und Babylonier entstanden. Das Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris wird auch die „Wiege der Zivilisation“ genannt.