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Archiv-Artikel

Körting holzt durchs Tarifrecht

Innensenator: Tarifrecht im öffentlichen Dienst ist Privileg der Besitzenden,tödliches Instrument gegenüber Arbeitslosen – und Finanzproblem für Kommunen

Nach dem Ausstieg Berlins aus den Arbeitgeberverbänden stellt Innensenator Ehrhart Körting (SPD) das bundesweite Tarifrecht im öffentlichen Dienst nun auch grundsätzlich in Frage. Eine Reform in diesem Bereich ist aus seiner Sicht für die Handlungsfähigkeit aller Länder und Kommunen unabdingbar. Unterdessen fordert Ver.di-Tarifexperte Burkhardt Thiemann vom rot-roten Senat bis Anfang Mai ein neues Angebot für die regionalen Tarifgespräche, deren dritte Runde für Mitte Mai geplant ist. Die Verhandlungen sind notwendig, weil Berlin wegen seiner dramatischen Haushaltslage aus dem bundesweiten Flächentarifvertrag ausgestiegen war.

Nach Darstellung Körtings müssten die „verkrusteten“ Strukturen im Tarifrecht „aufgebrochen“ und durch „flexible Regelungen“ ersetzt werden. Dabei gehe es unter anderem um die Aufhebung der Unkündbarkeit von Mitarbeitern sowie um Änderungen bei Beförderungen und Höhergruppierungen, die bisher unabhängig von der individuellen Leistung festgeschrieben seien, sagte der Senator am Osterwochenende. Angesichts der „katastrophalen Finanzlage“ der meisten Kommunen in Deutschland reichen nach seiner Einschätzung „kleine Reparaturarbeiten“ nicht mehr aus.

Bei einem Scheitern der Reform fehle Städten und Gemeinden künftig das Geld für Investitionen, warnte Körting. Außerdem drohe dann der weitgehende Verzicht auf Neueinstellungen, weil ihnen das Risiko zu groß sei, sich von Beschäftigten im Bedarfsfall nicht mehr trennen zu können. Körting fügte hinzu: „In seiner jetzigen Form ist der Bundesangestelltentarifvertrag ein Privileg der Besitzenden und ein tödliches Instrument gegenüber jungen Leuten und Arbeitslosen.“

Vor der nächsten Runde der Tarifverhandlungen für die rund 100.000 Arbeiter und Angestellten des Berliner öffentlichen Dienstes muss sich der Senat nach Darstellung Thiemanns bewegen. Weitere Gespräche machten nur Sinn, wenn Rot-Rot ein „verhandelbares Angebot“ vorlege. Davon werde abhängen, ob die Gewerkschaften überhaupt weiter verhandelten und möglicherweise auch zu „moderaten Änderungen“ ihrer eigenen Vorstellungen bereit seien, betonte der Tarifexperte. Bei der zweiten Verhandlungsrunde am 19. März hatten beide Seiten keine Annäherung erzielt. DDP