: „Barbara Salesch kennst du doch“
Stephan Kuperion, 39, Jugendrichter in Berlin-Hellersdorf, über Show und Wirklichkeit
taz: Wie oft ist es Ihnen schon passiert, dass ein Zeuge sich während der Verhandlung als Täter entpuppte?
Stefan Kuperion: So was kommt schon vor, allerdings ist es eher die Ausnahme. Das hängt ja auch immer von der Ermittlungsarbeit der Polizei ab. Und auch wenn deren Mittel knapp sind, einen so schlechten Job macht sie nicht, dass die Verhandlungen dauernd eine unerwartete Wendung nehmen. Davon mal abgesehen, wäre es auch rechtlich häufig gar nicht möglich, Zeugen so in die Mangel zu nehmen, dass die plötzlich gestehen. Die können ja jederzeit die Aussage verweigern, um sich nicht selbst zu belasten.
In den Fernsehgerichten geht es ja häufig hoch her. Beobachten Sie auch in Ihren Verhandlungen zunehmend, dass Prozessbeteiligte oder Zuschauer sich gegenseitig anpöbeln und beschimpfen?
Nein, bei mir kommt das nicht vor. Und wenn, dann wird das sofort unterbunden. Wenn sich jemand allzu sehr daneben benimmt, wird er des Saales verwiesen oder es wird ein Ordnungsgeld verhängt. Es kann allerdings schon mal passieren, dass Staatsanwalt und Verteidiger in eine Auseinandersetzung geraten und persönlich werden. Dann ist es am besten, wenn man die Prozessbeteiligten und die Zuschauer kurz des Saales verweist, um mit den Vertretern von Anklage und Verteidigung ein ernstes Wort zu reden.
Sie haben also nicht das Gefühl, dass die Sitten vor Gericht, möglicherweise als Folge der Gerichtsshows, verludern?
Nein, es ist eher so, dass diese Shows bei Zuschauern falsche Erwartungen wecken. Wenn zum Beispiel Schulklassen zu Besuch sind, sind die häufig enttäuscht, dass bei uns nicht alle durcheinander brüllen wie im Fernsehen.
Haben die Shows denn auch positive Aspekte?
Bei Jugendschutzsachen, wo wir oft kleine Kinder vernehmen müssen, bieten die Gerichtsshows manchmal einen guten Einstieg. Da kann man dann sagen: Barbara Salesch kennst du doch, und so weiter … So kommt man dann leichter ins Gespräch, und die Kinder sind schon etwas besser darüber informiert, was von ihnen erwartet wird.