: „In wüstesten Träumen nicht“
Grüner Wieland belastet Senator Strieder (SPD) wegen Pachtverträgen im Tempodrom. Der weist Vorhaltungen zurück. Das Abgeordnetenhaus soll heute den Untersuchungsausschuss einsetzen
VON STEFAN ALBERTI
In der Temprodrom-Affäre mehren sich die Vorwürfe gegen Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD). Der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland, im Oktober 2001 bei der umstrittenen Rettungsaktion für das Kulturzelt Justizsenator, hält Strieder unzureichende Information über die parallel verhandelten Pachtverträge vor. Laut Wieland vermittelte Strieder im Senat den Eindruck, dass die Verträge mit den Tempodrom-Pächtern – wie zuvor verlangt – nachgebessert seien. Das sei aber nicht geschehen. „Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir das Rettungspaket gestoppt.“ Strieder wies die Vorwürfe zurück: Die Pachtverträge seien grundlegend überarbeitet worden.
Das Timing für Wielands Darstellungen ist gut: Heute debattiert das Abgeordnetenhaus über das Tempodrom und setzt dazu einen Untersuchungsausschuss ein, heute soll Strieder dazu eine große Anfrage der Grünen beantworten. In der Debatte soll es auch um das umstrittene Party-Sponsoring des Tempodrom-Akteurs Roland Specker bei der von Strieder geführten Berliner SPD gehen. Wieland sprach von einer „Achse Strieder–Specker“, die weiterer Aufklärung bedürfe.
In der Plenardebatte soll aus dem Senat allein Strieder zum Tempodrom sprechen, Rückendeckung durch den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) soll es nicht geben. Es sei keineswegs so, dass man Strieder allein im Regen stehe lasse, widersprach Vizesenatssprecher Günter Kolodziej ebensolchen Überlegungen. Gegen Strieder würden sich die Vorwürfe richten, „da ist es nur natürlich, dass er darauf antwortet“. Die Grünen ließen offen, wann sie einen Misstrauensantrag einbringen.
Wieland wies die Verantwortung für den Problemfall von seiner Partei. „Das Tempodrom ist mitnichten ein Kind der Bündnisgrünen“, sagte er. Deren Kreuzberger Bezirksgruppe habe den Standort am Anhalter Bahnhof lange bekämpft. Zwar stimmte die Fraktion diesem Ort zu und entschied sich gegen einen Standort im Treptower Park. Doch was in der Folgezeit geschah, sei nicht von den Grünen zu verantworten: „Wir hatten von Anfang an das mulmige Gefühl, dass es ein größenwahnsinniges Projekt ist.“ Wieland wandte sich gegen „Munkeleien“ über angeblichen grünen Filz, „die gezielt von der FDP gestreut wurden“.
In der PDS, von den Grünen wiederholt für rot-rote Kahlschlagspolitik abgewatscht, mochte man mulmige Gefühle nicht als Entschuldigung werten. „Komisch, wenn die Grünen uns kritisieren, ist für sie der Maßstab nie, dass wir Bedenken hatten, sondern wie wir entscheiden“, hieß es bei den Sozialisten.
Denn trotz Bedenken lehnten die Senatoren der Grünen am 9. Oktober 2001 nicht ab, was Wieland als „Rettungspaket“ bezeichnet: eine Finanzspritze von 13,5 Millionen Mark für das Tempodrom aus aufgestockten Lottogeldern, Landesmitteln und Millionen von der landeseigenen Investitionsbank IBB.
Laut Wieland sollten die Tempodrom-Pächter eine feste Pacht zahlen. Stattdessen aber sei es teilweise zu umsatzabhängiger Pacht gekommen – was heißt: Wenn der Pächter wenig oder nichts verdient, kriegt der Verpächter nur einen Anteil von wenig oder nichts. „Das haben wir uns in den wüstesten Träumen nicht vorgestellt“, sagt Wieland. Anders Strieder: Der nennt die Umsatzpacht „marktüblich“.
Wielands Fazit: Dem Senat sei in puncto Vertragsänderungen von Strieder „objektiv falscher Vollzug“ gemeldet worden. Der Grüne will sich auf den SPD-Mann als Fachsenator verlassen haben: Wenn die Umweltverwaltung von 40 Hektolitern Milch bei den Stadtgütern spreche, „dann gehen wir auch nicht hin und zählen die Kannen nach“.