DIE NORDKOREA-GESPRÄCHE ENTSCHEIDEN ZWISCHEN FALKEN UND TAUBEN : Dialog als Entscheidungshilfe
Kommen nicht noch in letzter Minute neue Provokationen dazwischen, beginnen morgen in Peking dreitätige Gespräche zwischen Vertretern Nordkoreas, der USA und Chinas über das nordkoreanische Atomwaffenprogramm. Es wären die ersten Gespräche dieser Art, seit die USA im Oktober berichteten, Nordkorea habe die Existenz eines zweiten, geheimen Atomprogramms eingestanden. Das führte zum Austritt des Landes aus dem Atomwaffensperrvertrag, dem Rauswurf der Inspektoren, wochenlangem Säbelrasseln und gegenseitigen Beschuldigungen. Dagegen sind die jetzt beginnenden Gespräche ein willkommener Fortschritt, zumal die Dreiergespräche demnächst um ein Treffen von Vertretern Nord- und Südkoreas ergänzt werden sollen.
In den letzten Tagen haben missverständliche Äußerungen über den angeblichen Beginn der Wiederaufbereitung von Nuklearbrennstäben und damit den Beginn einer Plutoniumproduktion zu Waffenzwecken Rätsel aufgegeben. Doch Nordkoreas Äußerungen vermochten die Gespräche nicht zu torpedieren, vielmehr hat Pjöngjang sich sogar korrigiert und etwas deutlicher ausgedrückt.
Unklar ist nach wie vor, warum Nordkorea Gesprächen auf multilateraler Ebene plötzlich zugestimmt hat. Denn bisher hat Pjönjang gebetsmühlenartig auf bilateralen Gesprächen mit den USA bestanden. Ob der Sinneswandel Pjöngjangs durch die raschen Erfolge der US-Truppen im Irak eingeleitet wurde, durch den diskreten, aber unmissverständliche Druck Chinas oder gar deshalb, weil hohe nordkoreanische Kader angeblich in den Westen übergelaufen sind, bleibt offen.
Eins ist nach den bisherigen Erfahrungen mit Pjöngjang jedoch klar: Die Gespräche werden nicht einfach, sie können sich lange hinziehen, und ein greifbares Ergebnis ist keineswegs sicher. Es wäre schon viel gewonnen, wenn die USA und Nordkora in diesen Gesprächen erkennen würden, was die andere Seite eigentlich will.
Denn bis heute weiß niemand, ob Nordkoreas Regime den Atompoker aus der Erkenntnis heraus begonnen hat, dass nur der Besitz der Bombe seinen Bestand sichern kann, oder ob Pjöngjang sich die Bombe nur möglichst teuer abhandeln lassen will. Umgekehrt weiß niemand, ob es der US-Regierung nur um die Abschaffung von Massenvernichtungswaffen geht, oder nicht doch ein Regimewechsel erreicht werden soll. Die New York Times von gestern zumindest zitiert ein geheimes Pentagon-Papier, das Letzteres nahe legt, wenngleich dies (noch) nicht offizielle Politik sei. Womöglich entscheiden erst die Gespräche selbst darüber, welche Positionen sich in Pjöngjang und Washington jeweils durchsetzen. SVEN HANSEN